Nachhaltigkeitsökonomische Analyse eines antiken Infrastrukturgroßprojekts zur Bewässerungslandwirtschaft: Der Habur-Kanal in Assyrien im 13. Jh. v.Chr.

Projekt: Forschung

Projektbeteiligte

Beschreibung

Wissenschaftliche Vorhabenbeschreibung
Mit dem Kleinforschungsprojekt soll die Erstellung eines wissenschaftlich hoch innovativen und sehr gut fundierten Antrags an die DFG auf Gewährung einer Sachbeihilfe oder auf Einrichtung einer Forschergruppe vorbereitet werden. Dazu gehören auch die Exploration der wissenschaftlichen Grundlagen während der Antragsphase und der Forschungsvorlauf für das DFG-Projekt. Während dieser Vorbereitungsphase wird auch geklärt, in welchem DFG-Programm der Antrag gestellt wird.
Der geplante DFG-Gemeinschaftsantrag umfasst den Projektverbund „Wasser für Assyrien“ (WASSYR), der aus folgenden wissenschaftlichen Partnern besteht:
1. Freie Universität Berlin (Prof. Dr. H. Kühne – Vorderasiatische Archäologie, Prof. Dr. Eva Cancik-Kirschbaum – Altorientalistik),
2. Leuphana Universität Lüneburg (Prof. Dr. S. Baumgärtner – Nachhaltigkeitsökonomie),
3. Ostfalia Hochschule Campus Suderburg (Prof. Dr. K. Röttcher – Wasserbau und Wasserwirt-schaft),
4. Universität Kiel (Prof. Dr. M. Quaas – Ökonomische Geographie),
5. DGAM – Antikenverwaltung der Republik Syrien, Damaskus (Direktor Dr. Salam al-Kuntar).
Für die Leuphana Forschungsinitiative Nachhaltigkeit ist ein solcher DFG-Gemeinschaftsantrag von hoher Bedeutung, da er das vor Ort vorhandene fachliche Spektrum in den Nachhaltigkeitswissenschaften durch externe Kooperation um die vor Ort fehlende, aber wichtige historische Dimension nachhaltiger Entwicklung erweitert.

Problemstellung
Der Kanal entlang des unteren Habur, des größten Nebenflusses des Euphrat, erstreckte sich mit 8-10 Meter Breite über mehr als 200 km. Er diente der Bewässerung in einer semi-ariden Region, die geografisch knapp außerhalb der Regenlandbaugrenze lag, d.h. in der Niederschlag zu niedrig und zu unsicher war, um dauerhaft allein niederschlagsbasiert Landwirtschaft betreiben zu können. Der Kanal wurde in der Mittel-Assyrischen Periode zu Beginn des 13. Jh v. Chr. errichtet und war danach mehr als tausend Jahre in Betrieb. Hinsichtlich sowohl räumlicher als auch zeitlicher Ausdehnung handelt es sich um eines der größten antiken Infrastrukturprojekte. Der Bau des Kanals hatte nachweislich signifikante und dauerhaft positive Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft des Assyrischen Reiches, und stellt damit ein historisch erwiesenes Beispiel für nachhaltige Entwicklung dar.
Der wissenschaftlich hoch innovative Forschungsansatz des WASSYR-Konsortiums besteht darin, dieses altweltliche und bislang ausschließlich archäologisch und altertumswissenschaftlich untersuchte Infrastrukturgroßprojekt mit modernen Erklärungsansätzen der Nachhaltigkeitsökonomie und der Neuen Ökonomischen Geografie zu analysieren und dabei insbesondere den Aspekt der Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu wollen wir folgende Hypothesen untersuchen.

Hypothesen
1. Durch Bewässerung aus dem Kanal konnte die landwirtschaftliche Produktion in der politisch fragilen Peripherie des Assyrischen Reiches gesteigert und dadurch sowohl die Ansiedlung einer größeren Bevölkerung in der Peripherie als auch der Handel mit landwirtschaftlichen Produkten aus der Peripherie gegen Handwerkswaren aus dem Zentrum des Reiches ermöglicht werden. Das führte zu einer dauerhaften Steigerung des Volkseinkommens und zur Entwicklung fortgeschrittener gesellschaftlicher Institutionen.
2. Durch Bewässerung aus dem Kanal konnten die Schwankungen in der landwirtschaftlichen Produktion aufgrund unsicheren Niederschlags deutlich reduziert werden. Die staatliche Investition in den Kanalbau stellte damit eine Versicherung gegen Einkommensschwankungen in der Landwirtschaft aufgrund unsicherer klimatischer Verhältnisse dar. Neben der Stabilisierung der Lebens-grundlage von Bauern führte dies auch zu einer Stabilisierung der Steuereinnahmen aus der Landwirtschaft und damit zu einer Stabilisierung der politischen Macht.
3. Bei Berücksichtigung aller gesamtwirtschaftlichen Effekte hatte das zunächst mit enorm hohen Kosten verbundene Infrastrukturprojekt des Kanalbaus wegen 1. und 2. langfristig ein deutlich positives Nutzen-Kosten-Verhältnis. Die Durchführung des Projekts war damit ökonomisch rational.
4. Aus der Analyse des historischen Haburkanal-Projekts lassen sich qualitative Einsichten in Bedingungen und Möglichkeiten für ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit moderner Infrastrukturgroßprojekte, insbesondere zum Management von Umweltrisiken (z.B. im Bereich Wasser/Klima), gewinnen.
Stand der Forschung
Die archäologische und altertumswissenschaftliche Untersuchung des Habur-Kanals ist durch unsere Projektpartner von der FU Berlin in den letzten zwei Jahrzehnten intensiv betrieben worden. Der Kenntnisstand zu Umwelt- und Klimabedingungen, landwirtschaftlicher Produktion, Siedlungsgeschichte, gesellschaftlichen Institutionen, Wirtschaftssystem etc. der Haburregion im 13 Jh. v. Chr. ist mittlerweile hinreichend gut (z.B. Bagg 2000, Altaweel 2008, Ur 2005, Wilkinson et al. 2005), um darauf eine Analyse mit modernen ökonomischen Methoden aufbauen zu können. Eine solche nachhaltigkeitsökonomische Analyse des Habur-Kanalprojekts ist bislang noch nicht erfolgt.
Eigene projektbezogene Vorarbeiten betreffen daher bislang nicht den Gegenstand, sondern die Entwicklung spezifischer Methoden zur nachhaltigkeitsökonomischen Analysen von Landwirtschaft in semi-ariden Gebieten. Diese wurden bislang vorwiegend zur Analyse nachhaltiger Weidewirtschaft im heutigen Namibia entwickelt und erprobt. Sie lassen sich aber unmittelbar und direkt auf den Untersuchungsgegenstand dieses Projekts übertragen.
StatusAbgeschlossen
Zeitraum01.01.1230.06.13

Presse/Medien