Webbasierte Reflexions- und Feedbackumgebungen in der Lehrerbildung: Auswirkungen auf die Lehr-Lern-Überzeugungen und die Selbstwirksamkeit von Lehramtsstudierenden

Aktivität: Vorträge und GastvorlesungenKonferenzvorträgeForschung

Christopher Neil Prilop - Sprecher*in

Kira Elena Weber - Ko-Autor*in

Marc Kleinknecht - Ko-Autor*in

Theoretischer Hintergrund Die Selbstwirksamkeit von Lehrkräften (Zee & Koomen, 2016) und konstruktivistische Lehr-Lern-Überzeugungen (Kunter et al., 2013) wurden unter anderem positiv mit hohen Schülerleistungen in Verbindung gebracht. Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass Reflexion und Feedback als Schlüsselkomponenten für die Änderung von Lehr-Lern-Überzeugungen (Kagan, 1992) oder zur Förderung der Selbstwirksamkeit von Lehrkräften angesehen werden können (Bandura, 1997). Im Rahmen der Lehramtsausbildung können Reflexions- und Feedbacksitzungen in Schulpraktika umgesetzt werden. Üblicherweise bestehen Reflexions- und Feedbacksitzungen aus Mitstudierenden, Mentoren oder Experten, die die Unterrichtspraxis von Lehramtsstudierenden beobachten und ihr oder ihm nach der Selbstreflexion Feedback geben (Lu, 2010; Tripp & Rich, 2012). Reflexions- und Feedbacksitzungen sind jedoch aufgrund fehlender Ressourcen kein Standardbestandteil praktischer Erfahrungen, insbesondere wenn Experten anwesend sein sollten (Lee & Wu, 2006). Digitale Reflexions- und Feedback-Umgebungen (Autoren, 2016; Wu & Kao, 2008) können Abhilfe schaffen, da sie zeit- und ortsunabhängig sind. Fragestellung Die vorliegende Studie erweitert daher frühere Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen von Reflexion und Feedback auf die Selbstwirksamkeit von Lehrkräften und Lehr-Lern-Überzeugungen. Wir untersuchten, ob sich die Selbstwirksamkeit und die Lehr-Lern-Überzeugungen von Lehramtsstudierenden durch die Teilnahme an einer von drei verschiedenen Reflexions- und Feedbackumgebungen in unserem Praktikum verändern: in konventioneller Praktikumsbegleitung (CG), in einer textbasierten digitalen Lernumgebung (T-Reflect) oder auf einer videogestützten Onlineplattform (V-Reflect). Eine direkt vor der Coachingsitzung beobachtete Stunde bildete die Grundlage für Reflexion und Feedback im konventionellen Format (CG). In den digitalen Lernumgebungen beschrieben die Praktikanten die Unterrichtssituation im Textformat (T-Reflect) oder luden eine fünf- bis zehnminütige Videosequenz (V-Reflect) hoch. Die Praktikanten reflektierten Fälle von Klassenführung, die sie für verbesserungswürdig hielten. Daraufhin erhielten sie zwei Feedbacks von Mitstudierenden. Daran schloss sich das Feedback eines Hochschullehrers an. Methode Insgesamt absolvierten 106 (93,7% Frauen, MAlter = 23,11, SDAlter = 4,43) Bachelorstudierende des vierten Semesters das vierwöchige Schulpraktikum (CG: n=65; T-Reflect: n=19; V-Reflect: n=22). Alle Studierenden mussten während des Praktikums vier Stunden alleine unterrichten. Um die Entwicklung der Selbstwirksamkeit und der Lehr-Lern-Überzeugungen zu messen, absolvierten die Lehramtsstudierenden drei Skalen in einem quasi-experimentellen pre-post-design (Selbstwirksamkeit: Schwarzer und Schmitz, 1999; Lehr-Lern-Überzeugungen: Staub & Stern, 2002). Ergebnisse Die Studie zeigte, dass die Selbstwirksamkeit der Lehramtsstudenten während des Praktikums zunahm (CG: t(64)=5,18, p<0,001, d=0,62; T-Reflect: t(18)=2,24, p=0,037, d=0,51; V-Reflect: t(21)=2,24, p<0,036, d=0,50). ANOVAs zeigten, dass sich die Coachingformate nicht signifikant voneinander unterschieden. In Bezug auf die Lehr-Lern-Überzeugungen ließen sich positive Effekte für traditionelle Lehr-Lern-Überzeugungen in der T-Reflect-Umgebung nachweisen (d=0.60, p=0,01). Des Weiteren zeigten ANOVAs signifikante Unterschiede in der Entwicklung von konstruktivistischen Überzeugungen in den drei Bedingungen (Zeit, ηp2=0,49 und Interaktion, ηp2=0,19). Aufgrund des Interaktionseffekts wurden simple main effects berechnet. Die Analyse ergab, dass der Anstieg in der V-Reflect-Bedingung signifikant höher war, p<0,001. Bedeutung der Ergebnisse Unsere Ergebnisse bieten ein umfassenderes Verständnis für digitale Coachingumgebungen. Zwei Aspekte sind am faszinierendsten. Einerseits werden Steigerungen der Selbstwirksamkeit nicht durch das Coachingformat bestimmt. Das Praktikum scheint den Lehramtsstudierenden verschiedene Quellen zur Verbesserung der Selbstwirksamkeit anzubieten (Bandura, 1994), die nicht durch das Format bestimmt werden. Andererseits werden konstruktivistische Überzeugungen eher durch die videogestützte Lernumgebung gefördert, während die textbasierte Plattform traditionelle Überzeugungen schult. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass Videosequenzen hoch immersiv sind und zu eindringlicheren Erfahrungen (Sherin, 2007) durch "vivid images" (Tripp & Rich, 2012, S. 738) führt. Dies beeinflusst zukünftige Lehrsituationen. Daher können Videos als "emotion-packed, vivid experiences " (Ambrose, 2004, S. 95) fungieren, die benötigt werden, um die Überzeugungen von Lehramtsstudierenden zu verändern. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Kombination mit ausgewogeneren Reflexionen ihrer eigenen Videos und Rückmeldungen von Mitstudierenden den Fokus der Analyse verändert. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Lehramtsstudierende eine zweite Informationsquelle wie Video benötigen, sowohl für ihre eigenen Reflexionen als auch für ihr Feedback. Sonst können einseitige Reflexionen traditionelle Überzeugungen fördern.
27.02.2019

Veranstaltung

7. Tagung der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung - GEBF 2019: Lehren und Lernen in Bildungsinstitutionen

24.02.1927.02.19

Köln, Deutschland

Veranstaltung: Konferenz