Wider die Datenpraxeologie: Ein Kommentar zu Susanne Boerner, Florian Schramm: Fluktuationsneigung in den neunziger Jahren. In: ZfP 12 (1), 1998, S. 79–97

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title = "Wider die Datenpraxeologie: Ein Kommentar zu Susanne Boerner, Florian Schramm: Fluktuationsneigung in den neunziger Jahren. In: ZfP 12 (1), 1998, S. 79–97 ",
abstract = "Ich m{\"o}chte abschlie{\ss}end nochmals auf das Unbehagen zur{\"u}ckkommen, das ich bei der Lekt{\"u}re der letzten Seiten des Aufsatzes von Boerner/Schramm empfunden habe. Mir scheinen die beiden Autoren etwas oberfl{\"a}chlich mit weitreichenden Fragen umgegangen zu sein. Aus der Analyse von Umfragedaten sollten nicht ohne weiteres irgendwelche „Praxisempfehlungen” abgeleitet werden. Man sollte sich zuvor auf Empfehlungen unserer Profession besinnen, z.B. auf die Regel, die eigenen {\"U}berlegungen durch die Konfrontation mit alternativen Interpretationen zu disziplinieren. Dieser Maxime sind Boerner/Schramm nur unzureichend gefolgt – und daher mein Kommentar. M{\"o}glicherweise haben Boerner/Schramm auch ihre Handlungsempfehlungen viel harmloser gemeint, als sie mir erscheinen. Sie sind zumindest mi{\ss}verst{\"a}ndlich, und Boerner/Schramm h{\"a}tten diese Unklarheit vermieden, wenn sie ihre theoretischen und wertbezogenen Pr{\"a}missen reflektiert h{\"a}tten. Mein Kommentar sollte jedenfalls zeigen, da{\ss} die Pr{\"a}missen des Empirikers seine Dateninterpretation ma{\ss}geblich pr{\"a}gen.Zusammenfassend seien meine wesentlichen Kritikpunkte nochmals genannt: Die Hypothesen von Boerner/Schramm sind unvollst{\"a}ndig. Sie unterstellen einen bestimmten Selektionsmechanismus, der wenig plausibel ist, und dessen G{\"u}ltigkeit sie nicht {\"u}berpr{\"u}fen. Die Schlu{\ss}folgerungen, die sie aus den ermittelten Ergebnis sen ziehen, sind daher fragw{\"u}rdig. Aus „Seinsaussagen” lassen sich keine „Sollensaussagen” ableiten. Die praktischen Ratschl{\"a}ge von Boerner/Schramm basieren auf Wertpr{\"a}missen, die sie nicht offen diskutieren. Die empirischen „Fakten” sind Interpretationen, die auch anders gelesen werden k{\"o}nnen.Boerner/Schramm unterstellen nach meinem Eindruck ein {\"o}konomistisches Menschenbild. Jedenfalls verzichten sie auf eine Reflektion ihres Menschenbildes und dessen motivationstheoretische G{\"u}ltigkeit. Unterstellt man aber ein anderes Menschenbild, dann wird man aus den Daten andere Schl{\"u}sse ziehen als Boerner/Schramm.",
keywords = "Betriebswirtschaftslehre",
author = "Albert Martin",
year = "1998",
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doi = "10.1177/239700229801200404",
language = "Deutsch",
volume = "12",
pages = "474--487",
journal = "Zeitschrift fur Personalforschung",
issn = "0179-6437",
publisher = "Rainer Hampp Verlag",
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RIS

TY - JOUR

T1 - Wider die Datenpraxeologie

T2 - Ein Kommentar zu Susanne Boerner, Florian Schramm: Fluktuationsneigung in den neunziger Jahren. In: ZfP 12 (1), 1998, S. 79–97

AU - Martin, Albert

PY - 1998/11/1

Y1 - 1998/11/1

N2 - Ich möchte abschließend nochmals auf das Unbehagen zurückkommen, das ich bei der Lektüre der letzten Seiten des Aufsatzes von Boerner/Schramm empfunden habe. Mir scheinen die beiden Autoren etwas oberflächlich mit weitreichenden Fragen umgegangen zu sein. Aus der Analyse von Umfragedaten sollten nicht ohne weiteres irgendwelche „Praxisempfehlungen” abgeleitet werden. Man sollte sich zuvor auf Empfehlungen unserer Profession besinnen, z.B. auf die Regel, die eigenen Überlegungen durch die Konfrontation mit alternativen Interpretationen zu disziplinieren. Dieser Maxime sind Boerner/Schramm nur unzureichend gefolgt – und daher mein Kommentar. Möglicherweise haben Boerner/Schramm auch ihre Handlungsempfehlungen viel harmloser gemeint, als sie mir erscheinen. Sie sind zumindest mißverständlich, und Boerner/Schramm hätten diese Unklarheit vermieden, wenn sie ihre theoretischen und wertbezogenen Prämissen reflektiert hätten. Mein Kommentar sollte jedenfalls zeigen, daß die Prämissen des Empirikers seine Dateninterpretation maßgeblich prägen.Zusammenfassend seien meine wesentlichen Kritikpunkte nochmals genannt: Die Hypothesen von Boerner/Schramm sind unvollständig. Sie unterstellen einen bestimmten Selektionsmechanismus, der wenig plausibel ist, und dessen Gültigkeit sie nicht überprüfen. Die Schlußfolgerungen, die sie aus den ermittelten Ergebnis sen ziehen, sind daher fragwürdig. Aus „Seinsaussagen” lassen sich keine „Sollensaussagen” ableiten. Die praktischen Ratschläge von Boerner/Schramm basieren auf Wertprämissen, die sie nicht offen diskutieren. Die empirischen „Fakten” sind Interpretationen, die auch anders gelesen werden können.Boerner/Schramm unterstellen nach meinem Eindruck ein ökonomistisches Menschenbild. Jedenfalls verzichten sie auf eine Reflektion ihres Menschenbildes und dessen motivationstheoretische Gültigkeit. Unterstellt man aber ein anderes Menschenbild, dann wird man aus den Daten andere Schlüsse ziehen als Boerner/Schramm.

AB - Ich möchte abschließend nochmals auf das Unbehagen zurückkommen, das ich bei der Lektüre der letzten Seiten des Aufsatzes von Boerner/Schramm empfunden habe. Mir scheinen die beiden Autoren etwas oberflächlich mit weitreichenden Fragen umgegangen zu sein. Aus der Analyse von Umfragedaten sollten nicht ohne weiteres irgendwelche „Praxisempfehlungen” abgeleitet werden. Man sollte sich zuvor auf Empfehlungen unserer Profession besinnen, z.B. auf die Regel, die eigenen Überlegungen durch die Konfrontation mit alternativen Interpretationen zu disziplinieren. Dieser Maxime sind Boerner/Schramm nur unzureichend gefolgt – und daher mein Kommentar. Möglicherweise haben Boerner/Schramm auch ihre Handlungsempfehlungen viel harmloser gemeint, als sie mir erscheinen. Sie sind zumindest mißverständlich, und Boerner/Schramm hätten diese Unklarheit vermieden, wenn sie ihre theoretischen und wertbezogenen Prämissen reflektiert hätten. Mein Kommentar sollte jedenfalls zeigen, daß die Prämissen des Empirikers seine Dateninterpretation maßgeblich prägen.Zusammenfassend seien meine wesentlichen Kritikpunkte nochmals genannt: Die Hypothesen von Boerner/Schramm sind unvollständig. Sie unterstellen einen bestimmten Selektionsmechanismus, der wenig plausibel ist, und dessen Gültigkeit sie nicht überprüfen. Die Schlußfolgerungen, die sie aus den ermittelten Ergebnis sen ziehen, sind daher fragwürdig. Aus „Seinsaussagen” lassen sich keine „Sollensaussagen” ableiten. Die praktischen Ratschläge von Boerner/Schramm basieren auf Wertprämissen, die sie nicht offen diskutieren. Die empirischen „Fakten” sind Interpretationen, die auch anders gelesen werden können.Boerner/Schramm unterstellen nach meinem Eindruck ein ökonomistisches Menschenbild. Jedenfalls verzichten sie auf eine Reflektion ihres Menschenbildes und dessen motivationstheoretische Gültigkeit. Unterstellt man aber ein anderes Menschenbild, dann wird man aus den Daten andere Schlüsse ziehen als Boerner/Schramm.

KW - Betriebswirtschaftslehre

UR - https://www.mendeley.com/catalogue/852f281b-8242-3a5b-a197-89c5fd60efea/

U2 - 10.1177/239700229801200404

DO - 10.1177/239700229801200404

M3 - Kommentare / Debatten / Berichte

VL - 12

SP - 474

EP - 487

JO - Zeitschrift fur Personalforschung

JF - Zeitschrift fur Personalforschung

SN - 0179-6437

IS - 4

ER -