Normativität(en) im Spannungsfeld von Theorieproduktion und Theorieklassifikation in der Sozialen Arbeit

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Normativität in der Sozialen Arbeit zu thematisieren, birgt die Gefahr eines
letztlich unproduktiven Missverständnisses. Dies gilt zumal dann, wenn es
dabei um Soziale Arbeit als Wissenschaft geht und noch dazu um ‚Theorie‘, die
ja für viele so etwas wie den Inbegriff von Wissenschaftlichkeit repräsentiert.
Fragen nach der Normativität einer Wissenschaft wecken dabei zunächst ein-
mal Erinnerungen an alte Kontroversen wie etwa den Werturteils- oder Positi-
vismusstreit. Oder sie appellieren an die in wissenschaftstheoretischen Lehrbü-
chern gebräuchliche Unterscheidung zwischen „deskriptiver“ bzw. „empiri-
scher“ und „normativer“ Wissenschaft.
Vor diesem Hintergrund wird mit der Frage nach der Normativität gewissermaß
en unterschwellig suggeriert, es müsse am Ende darüber befunden werden,
ob Soziale Arbeit denn als normative
Wissenschaft zu verstehen sei oder nicht. Insofern ist allein schon der Frage
nach der Normativität selbst ein gewisser normativer Impetus nicht abzuspre-
chen. Anders gesagt: Allzu leicht ließe sich der Versuchung nachgeben, eine
Debatte um die Normativität der Sozialen Arbeit als Wissenschaft selbst in eine
normative Debatte zu verwandeln.
Das gilt auch und gerade für den Teil der wissenschaftlichen Debatte zur
Sozialen Arbeit, den man als „Theoriediskussion“
bezeichnen kann: Würde man diesem Teil der wissenschaftlichen Debatte zur Sozialen Arbeit, um den es im vorliegenden Artikel von nun an ausschließlich gehen soll, mit dem (normativen!) Anspruch begegnen, entscheiden
zu wollen, ob Normativität in der Theoriebildung ‚richtig‘ oder ‚falsch‘ ist, dann könnte man beispielsweise zu dem Schluss kommen, dass die Soziale Arbeit ja gar nicht anders denn als normative Wissenschaft in Erscheinung treten kann. Gelangen könnte man zu einer solchen Folgerung etwa, weil sie ihrem Gegenstand immer schon mit Gestaltungs- und Veränderungsabsichten begegnen muss.
In Abgrenzung davon aber wäre es genauso gut möglich, zu der gegenteiligen Ansicht zu kommen. Soziale Arbeit wäre dann prinzipiell als nicht-normative Disziplin zu konzipieren, da sie andernfalls – etwa im Sinne von Webers Wertfreiheitspostulat – gar keinen legitimen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben dürfte.
Unproduktiv ist eine solch normative Behandlung der Normativitätsfrage
nach dem Schema ‚besser/schlechter‘, da sie tendenziell aus dem Blick verliert,
wie innerhalb der Theoriediskussion der Sozialen Arbeit selbst die Frage der
Normativität bislang verhandelt worden ist und welche Varianten sich hier ggf.
vorfinden lassen. Eine normative Behandlung der Frage nach der Normativität
der Theoriediskussion vergibt damit zugleich die Chance, mehr empirisches
Wissen über die Theoriegeschichte sowie die aktuellen Auseinandersetzungen
um Theorien der Sozialen Arbeit zu entwickeln. Sowohl historische wie aktuel-
lere Debatten geben in mehrfacher Weise normative Ansprüche und Implikati-
onen – im Plural – zu erkennen, welche jedoch jeweils zunächst einmal weder
gut noch schlecht, sondern eben vielfältig sind. Dies macht aus unserer Sicht
eine empirische und vom Anspruch her kontingenzöffnende Reflexion der
Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Normativitäten innerhalb der Theo-
riediskussion lohnenswert.
Original languageGerman
Title of host publicationNormativität und Wissenschaftlichkeit in der Wissenschaft Soziale Arbeit : Zur Kritik normativer Dimensionen in Theorie, Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit
EditorsWolfgang Krieger, Björn Kraus
Place of PublicationWeinheim & Basel
PublisherJuventa Verlag
Publication date2018
Pages194-218
ISBN (Print)978-3-7799-3836-1
ISBN (Electronic)978-3-7799-4929-9
Publication statusPublished - 2018