36. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie - DSG 2012

Activity: Participating in or organising an academic or articstic eventConferencesResearch

Dominik Schrage - Organiser

    Ad hoc-Gruppe "Der Konsum als Objekt und Medium der Kritik. Zum Verhältnis von Konsumkritik und kritischem Konsum"

    Mit der Sammelbezeichnung „kritischer Konsum“ kann man die gegenwärtig vieldiskutierten Phänomene des „politischen“ oder „moralischen Konsums“ bezeichnen. Es handelt sich um Versuche, die Logik sozialer Bewegungen und ethische Erwägungen mittels „Boykott“, „Buycott“ oder einfach reflektiertem Einkaufsverhalten im Feld des Konsums zu etablieren, um gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. Zumeist wird der Konsum hierbei als ein Medium politischer Meinungsbildung oder Interessensartikulation angesehen, und die aggregierte Konsumentenmacht als ein Mittel zur Durchsetzung sehr konkreter Ziele (Einwirken auf die Politik oder auf Strategien von Unternehmen) oder aber zur Verbreitung ethischer Einstellungen (Nachhaltigkeitsbewusstsein im weitesten Sinne).
    Die vorgeschlagene Ad hoc-Gruppe soll diese Praktiken mit den „klassischen“ Positionen der Konsumkritik vergleichen, welche zumeist aus der Warte des am konkreten Konsumgeschehen unbeteiligten Dritten argumentiert. Während diese sich in intellektuellen, geistes- und sozialwissenschaftlichen – und auch massenmedialen Debatten – artikuliert und auf die De Legitimierung des Warenkonsums als solchem zielt, versteht sich kritischer Konsum als eine (intervenierende) Variante der Konsumpraxis selbst. Er will politische Ziele gerade durch Konsum erreichen – ohne ein Mindestmaß der Anerkennung des Konsums als legitimer Praxis ist kritischer Konsum deshalb undenkbar.
    Was diese Unterscheidung indes verdeckt ist, dass Konsumkritik und kritischer Konsum in einem konstitutiven Verhältnis zueinander stehen. Kritischer Konsum ist auf der einen Seite eine mehr oder weniger direkte Umsetzung von Konsumkritik in Praxis. Nicht anders als Sparsamkeit oder Modebewusstsein ist kritischer Konsum ein Ausdruck von Reflexivität in der Praxis des Konsums (was nicht bedeutet, dass diese immer vollständig bewusst abläuft), und eine (wie auch immer geartete) Konsumkritik ist der Motor dieser Reflexivität. Konsumkritik ist die „Moral“ einer spezifischen Konsumpraxis. Auf der anderen Seite kann kritischer Konsum aber damit auch einer fundamentalen Konsumkritik praktische Wirksamkeit verschaffen, sie „popularisieren“. Versteht man den kritischen Konsum in der Linie dieses Arguments als eine auf massenkulturelle Verbreitung, auf Popularisierung angelegte Praxis, so kann eine solche praktische (und damit lebensstilrelevant werdende und sichtbare) Konsumkritik sogar eine transformative Wirkung auf die Gesellschaft haben – etwa indem Wertvorstellungen der alternativen Subkultur zu prägenden Merkmalen bürgerlicher Sozialmilieus werden. Insofern sind die kulturellen und sozialen Veränderungen seit den 1960er Jahren kaum angemessen ohne die Bezugnahme auf die Konsumkritik und Formen des kritischen Konsums zu verstehen. Dann allerdings stellt sich die Frage, wie Reflexivität und Popularität sich jeweils zueinander verhalten.
    Ziel der Ad hoc-Gruppe ist es folglich nicht allein, das Verhältnis von Konsumkritik und kritischem Konsum in chronologischer Ab- und Nachfolge zu bestimmen, sondern als aufeinander bezogene, Konjunkturen unterliegende Aspekte des modernen Konsumgeschehens selbst zu betrachten. Es geht also um die Rolle, die die Kritik am Konsum beim Konsumieren selbst spielt. Von besonderem Interesse sind dabei Fälle, in denen auch die Widersprüche zwischen einer fundamentalen Kritik am Warenkonsum und der unhintergehbaren, alltäglichen Einbindung in ihn zur Sprache kommen.


    Zusammen mit Jens Hälterlein (Potsdam) Organisator der Ad hoc-Gruppe.
    01.10.201205.10.2012
    36. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie - DSG 2012

    Event

    36. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie - DSG 2012: Vielfalt und Zusammenhalt

    01.10.1205.10.12

    Dortmund, North Rhine-Westphalia, Germany

    Event: Conference