Das Dorf als Konfliktfeld im Streit um Agro-Gentechnik
Publikation: Beiträge in Sammelwerken › Abstracts in Konferenzbänden › Forschung
Standard
Geschlossene Gesellschaften: 38. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, 26.-30. September 2016, Universität Bamberg, abstracts. Deutsche Gesellschaft für Soziologie, 2016. S. 183.
Publikation: Beiträge in Sammelwerken › Abstracts in Konferenzbänden › Forschung
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}
RIS
TY - CHAP
T1 - Das Dorf als Konfliktfeld im Streit um Agro-Gentechnik
AU - Friedrich, Beate
N1 - Conference code: 38
PY - 2016
Y1 - 2016
N2 - Von 2005 bis 2008 war es in Deutschland möglich, die gentechnisch veränderte (gv-) Maissorte MON810 kommerziell anzubauen. Bevor der Anbau 2009 verboten wurde, führte er zu vehementen Konflikten – auch in den Dörfern der Anbauregionen. In meinem Beitrag möchte ich Ergebnisse meiner qualitativen Fallstudie vorstellen, einer mehrdimensionalen Konfliktfeldanalyse, die ich in drei ländlichen Regionen durchgeführt habe:In den Konflikten um Agro-Gentechnik erlangt das Dorf bzw. der ländliche Raum (neue) Bedeutsamkeit. Dabei verschränken sich eine materiell-stoffliche und eine symbolisch-diskursive Ebene. Materiell-stofflich wird gv-Saatgut auf Äcker ausgebracht, was durch zivilen Ungehorsam, wie z.B. Feldbesetzungen und -zerstörungen, be- und verhindert wird. Diskursiv verhandelt wird die Zukunft von Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion und Energiegewinnung.In den Anbauregionen treffen nicht nur Befürworter_innen und Gegner_innen von Agro-Gentechnik aufeinander, sondern auch lokale und externe Akteure: ökologisch und konventionell wirtschaftende Landwirt_innen und deren Nachbar_innen, Imker_innen, Vertreter_innen der Saatgutindustrie, Journalist_innen, Behörden und umweltpolitische Aktivist_innen. Für überregional agierende Interessensgruppen werden die Anbauregionen zu einer ›Bühne‹ für (agrar)politische Auseinandersetzungen, während sie für die lokalen Akteure Lebensorte sind. Kulturell zeigt sich das Aufeinandertreffen lokaler und externer Akteure als eine Abweichung vom ›normalen‹ Dorfleben, indem beispielsweise die Protestkultur überregional agierender Aktivist_innen auf lokale Lebensverhältnisse und -weisen trifft. Auch jenseits des Hinzukommens externer Akteure werden der GVO-Anbau und die Proteste dagegen im Dorfleben als ›das Andere‹ konstruiert.Die Anbauregionen werden zu ›hybriden Räumen‹: Die Anwendung von Agro-Gentechnik transformiert die Wahrnehmung des ländlichen Raums, indem er nicht länger (vorrangig) als ein Ort landwirtschaftlicher Produktion gilt, sondern (auch) als ein Ort der politischen Auseinandersetzung. Der Streit um Agro-Gentechnik verlagert sich in der Zeit des Anbaus von MON810 von den politischen Institutionen in die Dörfer und auf die Äcker. Oftmals überlagert er sich mit bereits bestehenden Konflikten wie die um Stallbauten zur industria-lisierten Tierhaltung oder die um Vorstellungen eines (guten) Lebens auf dem Lande
AB - Von 2005 bis 2008 war es in Deutschland möglich, die gentechnisch veränderte (gv-) Maissorte MON810 kommerziell anzubauen. Bevor der Anbau 2009 verboten wurde, führte er zu vehementen Konflikten – auch in den Dörfern der Anbauregionen. In meinem Beitrag möchte ich Ergebnisse meiner qualitativen Fallstudie vorstellen, einer mehrdimensionalen Konfliktfeldanalyse, die ich in drei ländlichen Regionen durchgeführt habe:In den Konflikten um Agro-Gentechnik erlangt das Dorf bzw. der ländliche Raum (neue) Bedeutsamkeit. Dabei verschränken sich eine materiell-stoffliche und eine symbolisch-diskursive Ebene. Materiell-stofflich wird gv-Saatgut auf Äcker ausgebracht, was durch zivilen Ungehorsam, wie z.B. Feldbesetzungen und -zerstörungen, be- und verhindert wird. Diskursiv verhandelt wird die Zukunft von Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion und Energiegewinnung.In den Anbauregionen treffen nicht nur Befürworter_innen und Gegner_innen von Agro-Gentechnik aufeinander, sondern auch lokale und externe Akteure: ökologisch und konventionell wirtschaftende Landwirt_innen und deren Nachbar_innen, Imker_innen, Vertreter_innen der Saatgutindustrie, Journalist_innen, Behörden und umweltpolitische Aktivist_innen. Für überregional agierende Interessensgruppen werden die Anbauregionen zu einer ›Bühne‹ für (agrar)politische Auseinandersetzungen, während sie für die lokalen Akteure Lebensorte sind. Kulturell zeigt sich das Aufeinandertreffen lokaler und externer Akteure als eine Abweichung vom ›normalen‹ Dorfleben, indem beispielsweise die Protestkultur überregional agierender Aktivist_innen auf lokale Lebensverhältnisse und -weisen trifft. Auch jenseits des Hinzukommens externer Akteure werden der GVO-Anbau und die Proteste dagegen im Dorfleben als ›das Andere‹ konstruiert.Die Anbauregionen werden zu ›hybriden Räumen‹: Die Anwendung von Agro-Gentechnik transformiert die Wahrnehmung des ländlichen Raums, indem er nicht länger (vorrangig) als ein Ort landwirtschaftlicher Produktion gilt, sondern (auch) als ein Ort der politischen Auseinandersetzung. Der Streit um Agro-Gentechnik verlagert sich in der Zeit des Anbaus von MON810 von den politischen Institutionen in die Dörfer und auf die Äcker. Oftmals überlagert er sich mit bereits bestehenden Konflikten wie die um Stallbauten zur industria-lisierten Tierhaltung oder die um Vorstellungen eines (guten) Lebens auf dem Lande
KW - Umweltplanung, Landschaftsentwicklung
UR - http://kongress2016.soziologie.de/fileadmin/user_upload/DGS_Redaktion_BE_FM/Kongresse/Kongress_2016/dgs2016_Abstract.pdf
M3 - Abstracts in Konferenzbänden
SP - 183
BT - Geschlossene Gesellschaften
PB - Deutsche Gesellschaft für Soziologie
T2 - 38. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
Y2 - 26 September 2016 through 30 September 2016
ER -