Knacken, Rauschen, Bandsalat. Zur Ästhetik analoger Störung im digitalen Sound.

Activity: Talk or presentationConference PresentationsResearch

Sarah Hardjowirogo - Speaker

Wenn das Digitale Normalität geworden ist, wird das Analoge zu einem Konzept aus einer anderen Zeit, dem stets eine gewisse Unvollkommenheit anhaftet – nicht jedoch als Makel, sondern vielmehr als charmante Eigenheit, als Sensation gar, die in Erinnerung zu rufen ge- rade jener Generation von Musikern ein ästhetisches Anliegen scheint, die eine Alltäglich- keit des Analogen selbst nicht mehr erlebt hat. Während also etwa Burial in der Ankündi- gung zur aktuellen EP klar stellt, jedes Knistern sei pure Absicht, und James Blake allenthal- ben rhythmisiertes Rauschen jeglicher Couleur ausstellt, sind semantisch aufgeladene Störge- räusche wie nostalgisches Plattenknacken oder der unvermeidliche „Pull it up Selecta!“- Rewind-Sound längst als mp3-Soundeffekt auf einschlägigen Filesharing-Plattformen erhält- lich.
Anders aber als noch die programmatischen Ästhetik/Theorie-Komplexe des Glitch, der clicks & cuts der Jahrtausendwende, will etwa James Blake keine Medialität (des Digitalen) per se mehr hörbar machen. Rauschen und Knistern dienen nicht der trockenen Reflexion einer medialen Verfasstheit von Welt (oder zumindest von Kunst), sondern im Gegenteil ge- rade den großen Emotionen: Balladen über spätjugendlichen Weltschmerz, die eben doch ganz selbstverständlich Hinweise darauf enthalten, wie grundlegend medial verschaltet sol- che spätjugendliche Welt heute erfahren wird. Dass dabei sowohl analoge wie auch digita- le Störungen unterschiedslos gestalterisch verwandt werden, zeigt, wie sehr eine neue ästhe- tische Generation darauf bedacht ist, Medialität – bzw. ihre Kehrseite: die Störung – durch "sensorisches Engineering" (Kodwo Eshun) greifbar zu machen, anstatt sich auf technologi- sche Prinzipien oder theoretische Kategorisierungen zu berufen. Der "post-digitale" Sound, mit dem Musiker wie James Blake oder Hudson Mohawke arbeiten, verdankt sich nicht mehr einer medialen Einheitlichkeit, die digital oder analog zu nennen wäre, sondern einer Me- dialität auditiver Wahrnehmung als Effekt einer heterogenen An-Ordnung verschiedener Medien-Apparaturen – Plattenspieler, Analogsynthesizer, Laptops, Netzmedien usw. usf.
Zugleich ein immer kleinteiliger gestaltbares Medienmaterial wie auch ein dehistorisiertes, weil potentiell instantan verfügbares Reservoir (pop-)kultureller Verweise und Zeichen, ist sol- cher Sound heute vor allem eins: Normalität.
Davon ausgehend, möchte der Beitrag solchem „post-digitalen“ Sound und seinen medien- theoretischen Implikationen anhand mehrerer Beispiele nachgehen und dabei Digital Nativi- ty nicht als einen an Geburtsjahrgängen oder Schlüsseltechnologien festzumachenden und somit vor allem Zielgruppen-konstituierenden Generationsbegriff, sondern vielmehr als me- dienästhetische Praxis verstehen.
14.07.2012

Event

HyperKult XXI 2012 : Digital Nativity - Die Normalität des Digitalen

12.07.1214.07.12

Lüneburg, Lower Saxony, Germany

Event: Conference

Recently viewed

Publications

  1. Fehler beim schätzen
  2. § 285 Herausgabe des Ersatzes
  3. Inhalte der Umweltverträglichkeitsuntersuchung bei Offshore Windparks
  4. Mehr oder weniger neues Licht
  5. Prädiktoren des Kompetenzzuwachses im Bereich Deutsch als Zweitsprache bei Lehramtsstudierenden
  6. Anmerkung zu OLG Stuttgart, Beschluss vom 12.02.2008 - 2 Ws 328/07, Urheberrecht und Internet
  7. Homogene und heterogene Teilnahmeeffekte des Hamburger Kombilohnmodells
  8. Arbeitsmarkt und Silver Workers
  9. Lernorientierung und Autonomie: Unterrichten von den Lernenden aus - spielend möglich?
  10. Rezension zu: Otto, Hans-Uwe / Polutta, Andreas / Ziegler, Holger (Hg.): Evidence-based Practice – Modernising the Knowledge Base of Social Work?. Opladen: Barbara Budrich 2009
  11. Laypeople in Law
  12. Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677-687)
  13. Motive für die Wahl des Studiengangs Wirtschaftspädagogik
  14. Ana Ofak/Philipp v. Hilgers (Hg.): Rekursionen. Von Faltungen des Wissens
  15. Sind 250 Jahre Entrepreneurshipforschung schon genug?
  16. The roles of artists in the emergence of creative sustainable cities
  17. Qualitätsmanagement und Evaluation
  18. An empirical study of economic and voluntary work of retired staff
  19. Erteilung des Prüfungsauftrags und Überwachung des Abschlussprüfers durch den Prüfungsausschuss – vorbereitende oder ersetzende Tätigkeit?
  20. Vorhang auf !
  21. Gesundheit spielend fördern.
  22. Handlungsregulation bei der Steuerung chaotischer Systeme
  23. Havana, Cuba, ca. 1957: Rhythms and songs for the Orishas - Smithsonian Folkways Recordings SFW 40489
  24. Kognitiver Anspruch von Aufgaben im Deutschunterricht
  25. Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum
  26. Mit niedergeschlagenen Augen
  27. Green and Sustainable Chemistry Teacher Education
  28. Dry grassland communities on southern Öland
  29. § 394: Berichte der Aufsichtsratmitglieder
  30. Market driven power plant investment perspectives in Europe
  31. „Digitale Währungen, insbesondere Libra“
  32. Die Fotobefragung als projektives Erhebungsverfahren