Ethnisierung von Geschlecht und die diskursive Reproduktion von Differenz in der Fernsehdokumentation "Fremde Nachbarn": Muslime zwischen Integration und Isolation

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Wenn in Deutschland in den Medien MuslimInnen dargestellt werden, ist dies nach wie vor durch Differenzproduktionen geprägt, in denen Fremdes und Eigenes diskursiv konstruiert wird. Bilder von vielfältigen Alltagswirklichkeiten innerhalb einer heterogenen Gesellschaft, die nicht dieses Differenzierungsraster bedienen, finden sich selten (vgl.Meier-Braun 2004: 7). Seit dem 11. September 2001 lässt sich zudem eine mediale ‘Muslimisierung’ türkischer und arabischer Menschen in Deutschland feststellen, in der diese unabhängig von ihrer Religiosität oder Säkularität als Muslime identifiziert werden. In diesen Identifikationen werden Themen wie kulturelle und religiöse Differenz, patriarchale Geschlechterverhältnisse, Gewalt und Kriminalität permanent aufgerufen und miteinander verschränkt (vgl.Farrokhzad 2002: 75). Dem Thema Geschlechterverhältnis kommt hierbei eine zentrale Funktion zu: Es dient als Gradmesser für Integriertheit und Modernität (vgl.Lutz/Huth-Hildebrandt 1998: 163). Diese Funktion kann es nur unter bestimmten diskursiven Voraussetzungen erfüllen: 1. geht mit ihm die generalisierende Setzung einer (potenziellen), patriarchalen Unterdrückung muslimischer Frauen durch muslimische Männer voraus, 2. wird ein patriarchales Geschlechterverhältnis als Marker ethnischer Differenz und als Zeichen eines Modernitätsdefizit gesetzt. Zugleich werden 3. patriarchale Verhältnisse der (christlichen) Mehrheitsgesellschaft als nicht existent postuliert und dem Blick entzogen (ebd.).

Da diesem Artikel ein dekonstruktivistische Perspektive zugrunde liegt, werden Begriffe wie das Eigene oder das Fremde, Frauen und Männer, MuslimIn oder Mehrheitsdeutsche etc. nicht als aus sich selbst heraus bestehende, aussagekräftige Kategorien verwendet. Vielmehr werden sie als machtvolle diskursive Konstruktionen verstanden.

Der Begriff der Mehrheitsgesellschaft verweist auf die Heterogenität der Gesellschaft, in der es neben einer privilegierten Mehrheit auch andere Bevölkerungsgruppen gibt. Die oft stillschweigend vorausgesetzte Vorstellung Deutsche seien weiße, christlich sozialisierte Menschen ohne migrantischen Hintergrund soll damit durchbrochen werden. Zugleich ist der Begriff jedoch problematisch, da er Vorstellungen darüber, wer zur Mehrheit gehört, reproduziert. Er transportiert eine Vorstellung von Bevölkerungsgruppen, die eindeutig als Mehrheit oder Minderheit kategorisierbar seien. Damit läuft auch dieser kritisch intendierte Begriff Gefahr, Homogenitätsvorstellungen und Ausschlüsse zu reproduzieren.
OriginalspracheDeutsch
TitelMedien - Diversität - Ungleichheit : Zur medialen Konstruktion sozialer Differenz
HerausgeberUlla Wischermann, Tanja Thomas
Anzahl der Seiten15
ErscheinungsortWiesbaden
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften
Erscheinungsdatum01.09.2008
Seiten125-139
ISBN (Print)978-3-531-15385-8
ISBN (elektronisch)978-3-531-90860-1
DOIs
PublikationsstatusErschienen - 01.09.2008

Bibliographische Notiz

Literaturverz. S. 138 - 139

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