1. Sektionskongress der Wissenssoziologie

Aktivität: Wissenschaftliche und künstlerische VeranstaltungenKonferenzenForschung

Regine Herbrik - Teilnehmer*in

    Soziales Imaginäres - Panel

    Die Imagination, die Phantasie, das Imaginäre sind seit Anbeginn der Soziologie in unterschiedlichen Variationen immer wieder (häufig jedoch flüchtig) einerseits Gegenstand der soziologischen Neugier, andererseits jedoch auch in deren theoretische Grundfesten eingelassen und werden meist unbesehen im erkenntnistheoretischen Inventar mitgeführt. Ob bei Durkheim, Simmel oder Schütz, ohne das soziale Imaginäre und dessen Potential, gesellschaftliche Wirklichkeiten sowohl zu transzendieren, als auch mit zu konstituieren, kommen soziologische – und insbesondere wissenssoziologische – Grundlegungen nicht aus.
    Aufgrund der sehr unterschiedlichen Konzeptualisierung des Imaginären innerhalb der französischen, deutschen und angelsächsischen Theorietraditionen fällt jedoch schon innerhalb des europäischen Soziologiediskurses bislang eine gemeinsame Diskussion schwer. Sprechen wir von einem sozialen Imaginären in der Tradition Lacans? Ist das Imaginäre generell bildhaft zu denken? Wie lässt sich dies mit der Fähigkeit zur Imagination verbinden, die soziologischen Identitäts- und Handlungstheorien zugrunde liegt?
    Im Rahmen des Arbeitskreises sollen vor diesem komplexen Hintergrund, die Vermittlung des Konzepts des Imaginären über die Grenzen der bestehenden Einzeldiskurse hinweg vorangetrieben und anhand der Diskussion empirischer Studien neue Wege der Verständigung für das Nachdenken über das gesellschaftlich relevante Imaginäre und die Potentiale, die das Imaginäre für die soziologische Theoriebildung bereithält, eröffnet werden.
    Ein erster Schritt auf diesem Weg konnte im Rahmen der Ad hoc-Gruppe „Imaginäre Spielräume. Das soziale Imaginäre als Gegenstand und Methode der Soziologie“ beim DGS-Kongress 2014 gegangen werden. Dort stand die Frage im Mittelpunkt, wie in Krisenzeiten, in denen sicher Geglaubtes seine realitätssichernde Deutungsmacht einbüßt, das, was die offensichtlich gegebene Präsenz überschreitet, in den Fokus gesellschaftlicher Aufmerksamkeit rückt. Auch die Fragen danach, ob (Anderson) und wie (Lüdemann) sich eine Gemeinschaft (Eßbach) oder Gesellschaft imaginiert, wurde hinsichtlich krisenhafter Zeitdiagnosen diskutiert.
    Zukünftig soll sich der Arbeitskreis sowohl mit dem Imaginären als Bestandteil (wissens-)soziologischer Theoriebildung als auch mit dem sozialen Imaginären beschäftigen, das außerhalb der wissenschaftlichen Sphäre seinen gesellschaftlichen Einfluss geltend macht und damit zum empirischen Untersuchungsgegenstand wird.
    Eine Nominaldefinition des „sozialen Imaginären“ soll dem Arbeitskreis nicht vorgegeben werden. Zur Orientierung und als Diskussionsgrundlage dienen jedoch Konzepte von Satre (1971), Castoriadis (1984), Iser (191) … Gemeinsam ist diesen Ansätzen, dass sie das Imaginäre als etwas fassen, das sich zwar in Fiktionen, Symbolen u. ä. manifestiert, selbst jedoch einen fluiden, prozesshaften, protheischen Charakter aufweist, der es einem direkten empirischen Zugriff entzieht. Zugänglich wird es uns jedoch durch die rekonstruierende Rekonstruktion eben derjenigen kulturellen Objektivierungen, in die es eingeflossen ist.
    Die Beschäftigung mit dem sozialen Imaginären im Rahmen des Arbeitskreises soll angeleitet werden durch einen Katalog an Fragen, der unterschiedliche Bereiche abdeckt.
    – So gilt es konzeptuell zu erarbeiten, wie bei der Definition des per se Undefinierbaren verfahren werden soll. Wie wird das soziale Imaginäre (gerade auch über die einzelnen Diskurse – in Frankreich, Deutschland und den USA – hinweg) jeweils verstanden, wie wird es theoretisch gefasst und fassbar gemacht?
    – Theoretisch stellt sich außerdem die Frage, wie das Verhältnis des sozialen Imaginären zu anderen Transzendenz-Konzepten (wie Kultur, Religion, Spiel) zu denken sein könnte. Welchen eigenständigen, heuristischen Wert hat die Fokussierung des sozialen Imaginären? Was sind die genuinen Funktionsweisen des Imaginären?
    – Für die Betrachtung des Imaginären als soziologischer Theoriebaustein ist zu diskutieren, welche Rolle das Imaginäre innerhalb der aktuellen, soziologischen Theoriediskussion spielt und welche Auswirkungen auf die empirische Forschung die Verankerung des Imaginären (z. B. in Form der Hypothese) in der Methodologie hat.
    – Und schließlich stellt sich die zeitdiagnostische Frage, welches soziale Imaginäre die Gesellschaften kennzeichnet, in denen wir leben.
    08.10.2015
    1. Sektionskongress der Wissenssoziologie

    Veranstaltung

    1. Sektionskongress der Wissenssoziologie: Wissensforschung - Forschungswissen

    08.10.1510.10.15

    Landau, Deutschland

    Veranstaltung: Konferenz