Umweltrisikobewertung von Zytostatika

Research output: Working paperResearch communication reportsResearch

Authors

Es wurde die Fragestellung behandelt, in wieweit Zytostatika gemäß den Regeln des Humanarzneimittel-Leitfadens der Europäischen Arzneimittelagentur trotz Unterschreitung des dort festgelegten PEC Aktionswertes von 0,01 μg/l einer Umweltrisiko-Bewertung zugeführt werden sollten.
Die Autoren schlagen dies für alle Zytostatika mit direkter DNA-Interaktion vor. Für solche Stoffe ist keine Wirkschwelle im Niedrigdosisbereich anzunehmen.
Gemäß dem Leitfaden selbst sollen auch hochgradig lipophile Substanzen
unabhängig vom Aktionswert bewertet werden. Orientiert man sich an einem
logKOW >4,5, so betrifft dieses Kriterium acht Zytostatikawirkstoffe. Stoffe mit potenzieller Hormonwirkung, laut Leitfaden ebenfalls obligatorisch zu bewerten, kommen in dieser Medikamentengruppe nicht vor. Hingegen werden 15 Zytostatika von der Bewertung ausgenommen, weil sie als Proteine, Peptide oder pflanzliche Produkte vom Leitfaden als nicht relevant angesehen werden.
Ingesamt wurden 110 Einzelwirkstoffe der ATC-Gruppe L01 (Antineoplastische Mittel) identifiziert und beschrieben. Um den derzeitigen Verbrauch zu erfassen, wurden Bilanzierungen der ambulanten und stationären Wirkstoffverbräuche von Zytostatika in der Humanmedizin durchgeführt. Eine Verwendung konnte in Deutschland nur für 69 Substanzen nachgewiesen werden. In den bilanzierten Anwendungsgebieten (niedergelassene Praxen, Akutkrankenhäuser und Rehakliniken) wurde in 2006 ein Verbrauch von rund 38 Tonnen Zytostatika berechnet. Substanzen mit unmittelbarer Genotoxizität stellen rund 24 % dieser Menge und 52 % der Anzahl der verwendeten Zytostatika.
Am Gesamtverbrauch haben die Verschreibungen niedergelassener Ärzte mit 79 %
den größten Anteil. Akutkrankenhäuser tragen zu rund 21 % bei und Reha-Einrichtungen zu 0,3 %. Die ersten vier Verbrauchsstoffe stellen bereits über 88 % der erfassten Gesamtmenge (Methotrexat 22 t, Hydroxycarbamid 5,4 t, Capecitabin 3,5 t und
Fluorouracil 2,4 t). Für parenteral verabreichte Wirkstoffe wie Fluorouracil ist mit
weiteren, erheblichen Verbräuchen durch niedergelassene Praxen zu rechnen, die hier nicht erfasst werden konnten, da es sich nicht um Fertigarzneien sondern um Zubereitungen handelt.
Sowohl im Humanmedizin- als auch im hier nicht bilanzierten aber beschriebenen Veterinärmedizinbereich ist zu erwarten, dass sich der Anstieg des Zytostatikaverbrauches der ATC-Wirkstoffgruppe L01 weiter fortsetzt. Die genotoxischen Wirkstoffe der ersten Generation werden dabei nicht verschwinden, sondern in differenzierteren Therapie-Konzepten weiterhin ihren Stellenwert haben. Die Menge ausgeschiedener, zytostatisch aktiver pharmazeutischer Substanzen und ihrer Metabolite wird somit in
allen Wirkstoffgruppen weiter zunehmen. Wie für andere Arzneimittel ist die toxikologische Relevanz von Spurenkonzentrationen bei chronischer Exposition bislang weitgehend unbekannt.
Original languageGerman
Place of PublicationDessau-Roßlau
Publisher Umweltbundesamt
Number of pages249
Publication statusPublished - 01.03.2009
Externally publishedYes

Recently viewed

Publications

  1. Communication as constitutive of terrorist organizations
  2. Partizipative Hochschulentwicklung für den digitalen Wandel – Leitlinien des studierendenzentrierten Change Management
  3. Green thinking but thoughtless buying?
  4. Ein Stadtteil im Aufbruch
  5. Emissions at airports and their impact at the habitat
  6. Praeventive Notfallerkennung auf Basis probabilistischer und beschreibungslogischer Auswertung verteilter Sensornetze
  7. Un progetto di ricerca e sviluppo come punto di partenza per lo sviluppo sostenibile
  8. Angst vor dem Unbekannten
  9. Integrated Pedagogy for Sustainable Entrepreneurship and Innovation
  10. Leuphana Professional School – ein Ort für Lebenslanges Lernen
  11. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung in Kindergärten
  12. Die Hierarchisierung der Leib-Metapher im Kolosser- und Epheserbrief als "Paulinisierung"
  13. Human Performance Managment
  14. Räume prägen Mobilität - Mobilität prägt Räume
  15. Kalküle der Hoffnung
  16. Antisemitismus im deutschen Mediendiskurs
  17. Barriers to naturalization
  18. Löwenbaby
  19. Das Ende der Steueroasen?
  20. Rezension zu: Understanding the city, contemporary and future perspectives, John Eade and Christopher Mele (eds.), Oxford, UK Blackwell, 2002, 384 pp.
  21. From Rana Plaza to COVID‐19
  22. Nachhaltigkeit lehren und lernen
  23. Unterrichtsqualität durch Bildungsstandards
  24. Ohne Blick durch die Fachbrille
  25. Können wir sprachförderliche Merkmale der Lehrersprache aus dem Unterricht identifizieren?
  26. Zwischen Ausnahmezustand und Moral Panic
  27. Il progetto ELLA international
  28. Naturbilder, von der Vorstellung zum Handeln
  29. Medienökologien fürs Anthropozän
  30. Environmental Management Accounting: Innovation or Managerial Fad?
  31. „Hochverehrter Herr Gouverneur“
  32. Dispersal of typical woodland species by roe deer and wild boar
  33. Kulturelle Vielfalt und Bildung für nachhaltige Entwicklung
  34. Los Huehuetlatolli del Códice Florentino como representaciones (icono)-gráficas de la producción comunicativa de los “naturales” de Nueva España como “pecadores”