Leben im Glashaus

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Wenn uns der Gedanke, im Glashaus zu leben, zunächst brisant erscheint, so vornehmlich wegen seiner reflexartigen Assoziation mit Transparenz. Im kulturwissenschaftlichen Diskurs hängt dieser Kurzschluss eng mit Walter Benjamins Überlegungen zum Gegenstand zusammen. Der Beitrag nimmt deshalb seine Ideen zum Anlass für einen Parcours durch die Diskurs- und Medienkulturgeschichte des – mal ideell, mal real bewohnten – Glashauses vom frühen 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Um die funktionalen, ästhetischen und poetischen Veränderungen des Glashauses nachvollziehen zu können, werden drei Ausprägungen desselben beispielhaft diskutiert: Das Gewächshaus, der Ausstellungsbau und das Wohnhaus. Verfolgt wird die Hypothese, dass Glashäuser ein Projekt der Moderne darstellen, und zwar insofern, als sie die Arbeit an den Grenzen zwischen jenen Dichotomien greifbar machen, die sich im Zuge des technisch-industriell bedingten Strukturwandels westlicher Gesellschaften abzeichnen. Der Verlauf der Grenze zwischen Natur und Kultur steht dabei ebenso zur Verhandlung wie etwa jene zwischen dem Eigenen und dem Fremden, Materialität und Diskursivität, Privatheit und Öffentlichkeit, Transzendenz und Immanenz. Für Durchgänge sorgt die Betrachtung des Glashauses auch in disziplinärem Sinne, da der Gegenstand vielfältige Passagen zwischen Literatur, Architektur und ihren Wissenschaften gleichermaßen eröffnet wie erfordert.
Original languageGerman
JournalFigurationen. Gender, Literatur, Kultur
Volume22
Issue number02
Pages (from-to)59-78
Number of pages20
ISSN1439-4367
DOIs
Publication statusPublished - 13.12.2021