Postkoloniale Aporien des Übersetzens: Von Westafrika zur jüdischen Geschichtserfahrung mit Ilse Aichingers ‚Die Schwestern Jouet‘

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Dem poetologischen Verfahren des Übersetzens kommt in Aichingers Schreiben ein zentraler Stellenwert zu. Der Beitrag interessiert sich für die Frage, auf welche Art und Weise Übersetzen als eine prägnante Metapher des Frühwerks bis zum Ende der 1960er Jahre in die Struktur der Texte abwandert. Argumentiert wird dafür, dass das Übersetzen durch die Verknüpfung zweier Formationen zur Struktur wird: Übersetzen fungiert als Scharnierstück zwischen einer metamorphotischen Leseweise und einer definierenden Schreibweise. Diskutiert werden diese Formationen anhand eines Hörspiels und eines Prosastücks, die 1969 unter demselben Titel erschienen sind: ‚Die Schwestern Jouet‘. Beide stehen im engen Zusammenhang mit einer Reise Aichingers in den Senegal 1966. Die Rekonstruktion dieser Reise verleiht der Interpretation eine postkoloniale Dimension und weist die Jouet-Texte als übersetzerische Projekte aus. Nicht nur setzte die Autorin auf einen anderen Kontinent über, sondern sie unterzog nach ihrer Rückkehr Senegals koloniale Geschichte einer Übersetzung. Aichingers metamorphotische Lektüre liest Fragmente dieser Geschichte von Gräbern, Denkmälern und Geschichtsbüchern auf und setzt sie in der höchst verdichteten Schreibweise des Definierens mit denen der jüdischen Diaspora-Erfahrung in Bezug. Das Aporetische dieser Mission liegt in der Verquickung von Sprache und Gewalt, die das Andere unterwirft, ausschließt oder zum Verschwinden bringt, sodass das Übersetzen letztlich an der Alterität Westafrikas scheitert
Original languageGerman
JournalSprache und Literatur
Volume53
Issue number2
Pages (from-to)317-348
Number of pages32
ISSN1438-1680
DOIs
Publication statusPublished - 15.01.2025