Staatliche Gewalt
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Einen Sachverhalt als soziales Problem etikettieren zu können, stellt eine gesellschaftliche und/oder rechtliche Zuschreibung dar, die eine wertende Einordnung vornimmt und sich nur unter spezifischen Machtkonstellationen durchsetzen kann. Im Hinblick auf staatliche Gewalt bildet dieses Etikett eine Entwicklung der Frühen Neuzeit und der Moderne. Aus dieser Perspektive zeichnen wir im Folgenden die Voraussetzungen einer solchen Etikettierung staatlichen Handelns ebenso nach wie die soziale Konstruktion des Begriffs und seine institutionelle Verankerung. Zwei unabhängig voneinander verlaufende Entwicklungen sind dafür grundlegend, nämlich die Herausbildung von Staatlichkeit und die Etablierung eines staatlichen Gewaltmonopols (1) ebenso wie die sich entwickelnde politische und rechtliche Vorstellung von Menschenwürde und den darauf aufbauenden Menschenrechten (2). Erst unter dieser Voraussetzung konnte staatliche Gewalt – zunächst einmal lediglich in ihrer unverhüllt physischen Form – als soziales Problem in den Blick geraten, während latente staatliche Gewalt, die sich in diskriminierenden Praktiken oder spezifischen Unterlassungen äußert, erst sehr viel später und oft erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts thematisiert wird. Im 18. Jahrhundert kommt es erstmals zu wissenschaftlicher Kritik an der Folter, während das 20. Jahrhundert darüber hinaus die Gewalt staatlichen Vorgehens an sich in den Mittelpunkt stellt (3). Verstärkt seit dem Zweiten Weltkrieg wird solche Gewalt völkerrechtlich definiert und eingegrenzt; Sanktionierungen scheitern jedoch oft an der Souveränität der Staaten, weshalb Souveränität in diesem Zusammenhang als zentrales soziales Problem betrachtet werden muss (4) Daraus ergeben sich Desiderata an sozialwissenschaftlicher Forschung, die Kontexte, Machtbalancen und Figurationen einzelner Staaten hinsichtlich ihrer Positionierung zum Völkerrecht in den Blick zu nehmen hätte (5).
| Originalsprache | Deutsch |
|---|---|
| Titel | Handbuch Soziale Probleme |
| Herausgeber | Martina Althoff, Mechthild Bereswill, Anke Neuber |
| Anzahl der Seiten | 15 |
| Verlag | Springer VS |
| Erscheinungsdatum | 06.2025 |
| Seiten | 1-15 |
| ISBN (elektronisch) | 978-3-658-44905-6 |
| Publikationsstatus | Erschienen - 06.2025 |
- Rechtswissenschaft - Gewaltmonopol, Menschenrechte, Folter, Staatssouveränität, Völkerrecht
