WaterScale - Skalenprobleme von Environmental Governance am Beispiel der Institutionalisierung von Flussgebietsmanagement durch die EG-Wasserrahmenrichtlinie

Projekt: Forschung

Projektbeteiligte

  • Newig, Jens (Wissenschaftliche Projektleitung)
  • Moss, Timothy (Partner*in)

Beschreibung

Die Erreichung von Umwelt- und Nachhaltigkeitszielen ist mit vielfältigen Skalenproblemen verbunden: Politisch-administrative Entscheidungsebenen passen häufig nicht zu naturräumlichen Skalendimensionen, wodurch externe Effekte entstehen. Zugleich sind politische Entscheidungsebenen verschachtelt. Einer größeren Bedeutung der EU-Ebene stehen Tendenzen zur Rückübertragung von Befugnissen auf niedrigere Ebenen unter Einbeziehung einer Vielzahl nichtstaatlicher Akteure gegenüber. Quer zu bestehenden Systemen hierarchischer Governance-Ebenen werden aufgabenspezifische Governance-Ebenen geschaffen, zum Beispiel um die Passfähigkeit mit naturräumlichen Skalen zu verbessern. Solche Reskalierungsprozesse schaffen besonders in den Mitgliedstaaten und Regionen der EU einen erheblichen Anpassungsbedarf, verändern aber auch die Machtpositionen und Handlungsspielräume nichtstaatlicher Akteure. Die Effektivität und Effizienz von Environmental Governance sind damit ebenso von Skalenproblemen betroffen wie Fragen von Legitimität und Machtverteilung.

Das beantragte Gemeinschaftsprojekt möchte diese fundamentalen skalare Dynamiken und Skalenprobleme von Environmental Governance am Beispiel der Institutionalisierung von Flussgebietsmanagement durch die EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) untersuchen. Die WRRL kann als exemplarisch für aktuelle räumliche Reskalierungsprozesse der EU-Umweltpolitik gelten. So stärkt die WRRL, erstens, sowohl die Bedeutung der EU-Ebene in der Gewässerschutzbpolitik als auch diejenige lokaler substaatlicher Strukturen. Die Richtlinie institutionalisiert zweitens die Planung und Bewirtschaftung der Wasserressourcen auf der Ebene von Flussgebietseinheiten und damit auf naturräumlichen statt auf bestehenden politisch-administrativen Skalendimensionen. Für die flussgebietsbezogene Wasserbewirtschaftung bleiben in Deutschland allerdings die Bundesländer zuständig, was zur Parallelität von Governance-Skalen führt. Indem die Richtlinie, drittens, die aktive Beteiligung nichtstaatlicher Akteure an der Umsetzung institutionalisiert, erhalten lokale Entscheidungsebenen eine wichtige Bedeutung. Mit der Hochphase der WRRL-Umsetzung, vor allem mit der Erstellung von Bewirtschaftungsplänen mit Maßnahmenprogrammen Ende 2009 und deren Umsetzung danach, bietet sich ein ungewöhnlich vielversprechendes Zeitfenster für die wissenschaftliche Analyse.

Ziel des Gemeinschaftsprojekts ist es, die Bedeutung von Skalen für Environmental Governance konzeptionell aus der Sicht unterschiedlicher sozialwissenschaftlicher Perspektiven herauszuarbeiten und empirisch am Beispiel der Umsetzung der WRRL in drei Teileinzugsgebieten zu untersuchen sowie schließlich die gewonnenen Erkenntnisse für die jeweiligen Disziplinen fruchtbar zu machen.

Folgende übergeordnete Fragen stellen sich:
- Welche Bedeutung haben Skalen und ihre Entwicklungsdynamik für das Verständnis von Problemlagen und Lösungskapazitäten bei Environmental Governance allgemein sowie bei der Institutionalisierung von Flussgebietsmanagement im Besonderen?
- Welche neuen Erkenntnisse lassen sich durch Skalenperspektiven über die Effizienz, Legitimität und Effektivität sowie Machtverteilung – und deren Zusammenspiel – bei der Umsetzung der WRRL gewinnen?
- Welche Rückschlüsse lassen sich aus den empirischen Beobachtungen für die Weiterentwicklung unterschiedlicher Skalenkonzepte ziehen?

Drei konkrete zentrale Skalenprobleme kristallisieren sich heraus, die unterschiedliche sozialwissenschaftliche Zugänge erfordern:
- Das „demokratische Dilemma“ zwischen effektiver politischer Partizipation (auf kleinräumigen Skalenebenen) und Governance-Effektivität (auf höheren räumlichen Ebenen), verbunden mit bestehenden Legitimitäts- und Effektivitätsdefiziten der EU-Politik, wird durch die Institutionalisierung des Flussgebietsmanagements noch ausgeweitet. Aus staats- und politikwissenschaftlicher Perspektive stellen sich Fragen nach den Skalenebenen, auf denen die Partizipation gesellschaftlicher Akteure die Legitimität der Entscheidungsfindung sichert sowie die Effektivität von Governance verbessert.
- Die Institutionalisierung von Flussgebietsmanagement wirft die Frage auf, wie Aufgaben, Einnahmen und Ausgaben in Hinblick auf ein Gewässermanagement am zweckmäßigsten vertikal zwischen verschiedenen Gebietskörperschaften zu verteilen sind und welche institutionellen Arrangements zu den geringsten Kosten einen Fit zwischen hydrologischen und politisch-administrativen Skalen herstellen. Beides wirft die Frage auf, was ökonomisch zweckmäßige Lösungen wären, d.h. welche Arrangements den Nettonutzen maximieren würden. Dies ist aus ökonomischer bzw. finanzwissenschaftlicher Perspektive zu bearbeiten.
- Mit der Institutionalisierung von Flussgebietsmanagement verschieben sich auch die Interessen- und Machtkonstellationen quer zu den politisch-administrativen und hydrologischen Skalen. Die WRRL eröffnet für manche staatliche und gesellschaftliche Akteure neue Möglichkeiten, durch das Agieren auf verschiedenen räumlichen Maßstabsebenen (von der Kommune zur EU, vom Teileinzugsgebiet zur Flussgebietseinheit) ihre Einflussnahme zu erhöhen. Aus humangeographischer Sicht stellt sich die Frage, inwieweit es durch solche „multiskalaren“ Strategien zu einer Neuverteilung von Interessenlagen, Problemdefinitionen, Machtverhältnissen und institutionellen Konfigurationen der Regulation von Wasserressourcen kommt, und inwiefern sich daraus neue Möglichkeiten für eine Verbesserung des Gewässerschutzes ergeben.

Diese Fragen werden in dem geplanten Gemeinschaftsprojekt in drei gemeinsamen regionalen Fallstudien (Einzugsgebiete der Wupper, der Hase und der Weißen Elster) untersucht. Damit sollen Skalen-Ansätze aus den verschiedenen sozialwissenschaftlichen Disziplinen am selben Gegen¬stand in Beziehung zueinander gesetzt werden. Im Zuge dessen werden unterschiedliche, mit der Skalenproblematik verbundene Spannungsverhältnisse aus jeweils mindestens zwei der drei disziplinären Perspektiven analysiert. Hier sind insbesondere optimale Skalenebene versus multiskalarem Handeln (Kosten- und Machtaspekte), Zentralisierung versus Dezentralisierung (Kosten- und Demokratieaspekte) sowie Partikularinteressen versus Gemeinwohlinteressen (Macht- und Verfahrensaspekte) zu nennen.

WaterScale ist ein Gemeinschaftprojekt, das von der DFG unter PAK 463 gefördert wird.
AkronymWaterScale
StatusAbgeschlossen
Zeitraum15.06.1031.12.13