Tourismus auf den Spuren der "Schatten des Windes": Vom Zusammenspiel medialer Bedeutungskonstruktion und performativer touristischer Praxen
Aktivität: Vorträge und Gastvorlesungen › Konferenzvorträge › Forschung
Anja Saretzki - Sprecher*in
Ein Tourist kann eine Stadt anhand unterschiedlicher Narrative entdecken: Er kann die Stadt auf den Spuren unterschiedlicher Epochen erkunden („Berlin zu DDR-Zeiten“, „Paris – sur les traces de la Révolution française“), er kann sich auf einen Architektur-Stil konzentrieren („Barock und Rokoko in München“, „Jugendstilführung Wien“), eine Persönlichkeit („The Alfred Hitchcock London Locations Walk“, „Dublin – In the footsteps of Leopold Bloom“), eine Fernsehserie („New York – Mad Men Experience and Cocktail Tour“, „Erlebnisführung Rote Rosen in Lüneburg“) oder gar die „süßen“ Seiten der Stadt aufsuchen („Marzipantour Lübeck“, „Barcelona Chocolate Tour“). Städte können gehend, laufend („Sightjogging“), per Auto, Bus, Straßenbahn, Fahrrad, Kutsche, Rikscha, Motorroller, Segway, Boot oder Helikopter entdeckt werden. Die Touren können am Tag oder in der Nacht durchgeführt werden. Sie können mit Hilfe eines professionellen Führers oder eines ehrenamtlich tätigen Einheimischen (sog. greeter) unternommen werden. Vielleicht erwirbt man auch einfach im Buchhandel einen Reiseführer oder lädt sich eine Reiseapp auf sein Smartphone.
Eine Stadt ist viele Städte. So wirbt beispielsweise das Tourismusportal von Barcelona für seine zahlreichen Stadtführungen mit der Frage: „Wie viele Barcelonas sind Sie bereit kennenzulernen?“ Denn je nachdem unter welchem Thema, mit welchem Verkehrsmittel, zu welcher Tageszeit und mit welchem Führer der Fremde die Stadt erkundet, sie wird immer anders erfahren und offenbart ein anderes Narrativ.
Der Text der Stadt ist folglich das Zusammenspiel aus vielen Texten der Stadt, die auf unterschiedlichen Ebenen produziert und in unterschiedlichen Kontexten gelesen werden. Im Literaturtourismus sind es zudem Texte über die Stadt, die als literarische Konstruktionen des Urbanen für den Touristen wie eine Aufforderung wirken, die Stadt durch die Augen eines Schriftstellers zu entdecken und dabei den vermeintlichen Text der Stadt zu lesen. Der Stadtraum lässt sich jedoch niemals nur auf seine Zeichendimension reduzieren, schon gar nicht auf einen einzigen Text, der die Stadt als Ganzes symbolisiert. In der Lefebvreschen Theorie der Raumproduktion wird der Raum nicht nur als Produkt, sondern gleichzeitig als Medium sozialen Handelns verstanden, als dialektischer Prozess zwischen dem Hervorbringen und dem Hervorgebrachten und damit als Zusammenspiel von Konzipiertem, Erfahrenem und Gelebtem. Die Stadt als einen Text zu lesen heißt folglich, die Repräsentationen der Stadt performativ zur Aufführung zu bringen und die Stadt zum Raum der Repräsentationen zu machen.
Der Tourist wird dabei zum Prosumer des städtischen Textes. Indem er sich die Stadt während seines Stadtrundgangs touristisch erschließt, rezipiert er nicht nur die Narrative seiner jeweiligen Führer (Consumer), sondern produziert gleichzeitig den Raum der touristischen Stadt durch seine performativen Praxen (Producer). Erst durch das Zusammenspiel von Zeichensystemen und Performativität entsteht die Praxis des Sightseeings. Auf der Ebene der Zeichen wird die Stadt über verschiedene mediale Bedeutungssysteme konstruiert. Im Literaturtourismus erfolgt dies durch das Medium des Buches (1. Narrativ) und durch die Stadtführung auf der Basis des Romans (2. Narrativ). Auf der performativen Ebene stellt das leibliche Erleben der Stadt einen unabdingbaren Bestandteil der räumlichen touristischen Praxis dar. Die Stadt mit eigenen Augen zu sehen, sie zu hören, zu riechen und anzufassen, macht den literaturtouristischen Sehnsuchtsort erst zum lieu d’imagination und die Stadt damit lesbar.
Mit Hilfe dieses theoretischen Zugangs soll am Beispiel von Stadtrundgängen auf den Spuren des weltweit populärsten Barcelona-Romans „Der Schatten des Windes“ von Carlos Ruiz Zafón exemplifiziert werden, wie durch unterschiedliche Medien (persönlicher Führer, Buch, digitale Medien) divergierende Narrative produziert werden und die Stadt unterschiedlich erlebt (konsumiert) wird. Das Zusammenspiel von unterschiedlichen Texten über die Stadt Barcelona und ihren Nutzern/Lesern lässt nicht nur die Texte dieser Stadt erst entstehen, sondern produziert auch über die räumliche Praxis der Touristen den Stadtraum Barcelona als Destination.
Eine Stadt ist viele Städte. So wirbt beispielsweise das Tourismusportal von Barcelona für seine zahlreichen Stadtführungen mit der Frage: „Wie viele Barcelonas sind Sie bereit kennenzulernen?“ Denn je nachdem unter welchem Thema, mit welchem Verkehrsmittel, zu welcher Tageszeit und mit welchem Führer der Fremde die Stadt erkundet, sie wird immer anders erfahren und offenbart ein anderes Narrativ.
Der Text der Stadt ist folglich das Zusammenspiel aus vielen Texten der Stadt, die auf unterschiedlichen Ebenen produziert und in unterschiedlichen Kontexten gelesen werden. Im Literaturtourismus sind es zudem Texte über die Stadt, die als literarische Konstruktionen des Urbanen für den Touristen wie eine Aufforderung wirken, die Stadt durch die Augen eines Schriftstellers zu entdecken und dabei den vermeintlichen Text der Stadt zu lesen. Der Stadtraum lässt sich jedoch niemals nur auf seine Zeichendimension reduzieren, schon gar nicht auf einen einzigen Text, der die Stadt als Ganzes symbolisiert. In der Lefebvreschen Theorie der Raumproduktion wird der Raum nicht nur als Produkt, sondern gleichzeitig als Medium sozialen Handelns verstanden, als dialektischer Prozess zwischen dem Hervorbringen und dem Hervorgebrachten und damit als Zusammenspiel von Konzipiertem, Erfahrenem und Gelebtem. Die Stadt als einen Text zu lesen heißt folglich, die Repräsentationen der Stadt performativ zur Aufführung zu bringen und die Stadt zum Raum der Repräsentationen zu machen.
Der Tourist wird dabei zum Prosumer des städtischen Textes. Indem er sich die Stadt während seines Stadtrundgangs touristisch erschließt, rezipiert er nicht nur die Narrative seiner jeweiligen Führer (Consumer), sondern produziert gleichzeitig den Raum der touristischen Stadt durch seine performativen Praxen (Producer). Erst durch das Zusammenspiel von Zeichensystemen und Performativität entsteht die Praxis des Sightseeings. Auf der Ebene der Zeichen wird die Stadt über verschiedene mediale Bedeutungssysteme konstruiert. Im Literaturtourismus erfolgt dies durch das Medium des Buches (1. Narrativ) und durch die Stadtführung auf der Basis des Romans (2. Narrativ). Auf der performativen Ebene stellt das leibliche Erleben der Stadt einen unabdingbaren Bestandteil der räumlichen touristischen Praxis dar. Die Stadt mit eigenen Augen zu sehen, sie zu hören, zu riechen und anzufassen, macht den literaturtouristischen Sehnsuchtsort erst zum lieu d’imagination und die Stadt damit lesbar.
Mit Hilfe dieses theoretischen Zugangs soll am Beispiel von Stadtrundgängen auf den Spuren des weltweit populärsten Barcelona-Romans „Der Schatten des Windes“ von Carlos Ruiz Zafón exemplifiziert werden, wie durch unterschiedliche Medien (persönlicher Führer, Buch, digitale Medien) divergierende Narrative produziert werden und die Stadt unterschiedlich erlebt (konsumiert) wird. Das Zusammenspiel von unterschiedlichen Texten über die Stadt Barcelona und ihren Nutzern/Lesern lässt nicht nur die Texte dieser Stadt erst entstehen, sondern produziert auch über die räumliche Praxis der Touristen den Stadtraum Barcelona als Destination.
24.09.2014
Veranstaltung
Tagung: webSites & SIGHTSeeing. Tourismus in Medienkulturen
26.02.14 → 26.02.14
Salzburg, ÖsterreichVeranstaltung: Konferenz
- Tourismuswissenschaften - Literaturtourismus