Tagung "Interiors and Interiority" 2012

Aktivität: Wissenschaftliche und künstlerische VeranstaltungenKonferenzenForschung

Holger Kuhn - Sprecher*in

Vortrag: From the Household of the Soul to the Economy of Money (Around 1500)

Der Vortrag geht von einem Bild aus, das der Antwerpener Maler Quentin Massys 1514 gemalt hat und das zumeist mit dem Titel 'Der Geldwechsler und seine Frau' bezeichnet wird. Das Bild gilt als exemplarische Szene der Ökonomie. Sein Interieur bebildert – so könnte man mutmaßen – das Gesetz des Hauses, den 'nomos' des 'oikos'. Der Vortrag handelt allerdings davon, dass es sich mit diesem Gesetz nicht ganz so einfach und ausgeglichen verhält, wie man auf den ersten Blick glauben könnte. Die Bedeutung des Bildraums, in dem sich der Kaufmann mit seiner Frau aufhält, soll auf zwei Ebenen untersucht werden, in denen die unheimlichen Wucherungen und Exuberanzen des Geldwesens zu Tage treten:
Erstens lässt sich dieses Interieur auch als ein Andachtsraum verstehen, es spielt sich eine Szene des Gebets ab. Das Interieur steht somit in einer Kontinuität zu den Bildräumen, in denen sich im 15. Jahrhundert die Verkündigung an Maria abspielte.
Zweitens weist diese Interieur einen entscheidenden Unterschied zu fast allen anderen gemalten Interieurs von Kontoren auf: Es wird darin nämlich nicht geschrieben. Damit steht Massys' Interieur im Gegensatz zu seinen Repliken, die Marinus van Reymerswaele ca. 20 Jahre später ebenfalls in Antwerpen gemalt hat, und in denen es um die Zeugungsfähigkeit der Geldmedien geht, was sowohl die Potenz der Münzen als auch der Schrifttechniken der Buchführung umfasst.
Diese Beobachtungen stellen zwei Seiten einer Medaille dar: In den Interieurs der Verkündigung geht es um eine übernatürliche Zeugung, um die Mensch- und Bildwerdung Gottes im Fleisch Mariens. In den Interieurs der Kaufleute geht es ebenfalls um Zeugungen, nämlich um die Prokreation des Geldes, die während des Mittelalters zwar nicht als übernatürlich galt, dafür aber als widernatürlich gebrandmarkt wurde. 'Nummus non parit nummos': Die Münze gebiert keine Münzen, heißt es apodiktisch bei Thomas von Aquin. Zu befürchten steht also, dass die Münze genau das kann: Nachwuchs zeugen. Die Frage, die sich angesichts der Interieurs Mariens und der Kaufleute stellt, lautet dementsprechend bei beiden: Was wird in den Innenräumen der Bilder eigentlich ausgebrütet? Inwiefern hat man es hier mit Zeugungs- und Fortpflanzungsszenarien zu tun?
06.12.201208.12.2012
Tagung "Interiors and Interiority" 2012

Veranstaltung

Tagung "Interiors and Interiority" 2012

06.12.1208.12.12

Berlin/Denkerei, Deutschland

Veranstaltung: Konferenz