Die Interessen zukünftiger Generationen: neue Modelle der Repräsentation

Aktivität: Vorträge und GastvorlesungenVorträge in anderen VeranstaltungenForschung

Michael Rose - Plenar-Sprecher*in

Der Mensch ist im Zeitalter des Anthropozän mit seiner globalen Wirkkraft zu einem dominanten Einflussfaktor auf den Planeten geworden. Industrialisierung und der darauffolgende Klimawandel, Atomenergie und -waffen mit den damit verbundenen kurz- und langfristigen existenziellen Risiken, Biodiversitätsverlust, Antibiotikaresistenzen, Schadstoffemissionen, demographischer Wandel, Desertifikation, Ressourcenabbau – vieles von dem, was der Mensch tut, ist irreversibel und hat massive Auswirkungen nicht nur auf uns, sondern auch auf zukünftige Generationen. Im Guten wie im Schlechten – nie hatte der Mensch so viel Einfluss auf die mittel- und langfristige Zukunft und zugleich ein solch umfassendes Wissen über die Risiken seiner Handlungsfolgen. Komplexe Probleme wie der Klimawandel, dessen Hauptauswirkungen erst in einigen Jahrzehnten am deutlichsten hervortreten werden, wären heute am wirksamsten zu bekämpfen.
Gestrige und heutige politische (Nicht-)Entscheidungen beeinflussen und binden demnach nicht nur uns, sondern auch zukünftige Generationen, insbesondere ihre Lebensbedingungen, Handlungsspielräume und damit auch Selbstbestimmungsmöglichkeiten. Unsere rechtlichen und politischen Institutionen scheinen jedoch noch nicht an das Zeitalter des Anthropozäns angepasst zu sein. In der Demokratie repräsentieren Abgeordnete das Volk; u. a. über Wahlen werden sie regelmäßig von den Wahlberechtigten verantwortlich gehalten. Entscheidungsberechtigte und Entscheidungsbetroffene sind so nur noch in Teilen identisch, da die ebenfalls betroffenen zukünftigen Generationen heute nicht am demokratischen Willensbildungsprozess teilhaben können. Die herkömmlichen Modelle politischer Repräsentation sehen Konstituenten wie zukünftige Generationen, die heute noch gar nicht existieren, schlicht nicht vor. Der Demokratie wird auch deshalb nachgesagt, sie sei in ihren Vierjahreszyklen zu gegenwartsfixiert und berücksichtige die betroffenen Interessen zukünftiger Generationen bestenfalls ungenügend.
In der politischen Philosophie wird dieser Umstand seit ca. vier Jahrzehnten zunehmend kritisiert. Dabei werden demokratietheoretische, menschenrechtliche, verantwortungsethische und gerechtigkeitstheoretische Argumente angeführt, warum die wohlverstandenen Interessen zukünftiger Generationen schon heute in den politischen Entscheidungsprozess eingebracht werden sollten. Auch wurden zahlreiche Vorschläge entwickelt, wie dies auf einer institutionellen Ebene aussehen könnte. Sie reichen von Parlamentssitzen für Repräsentanten zukünftige Generationen über Zukunftsräte und neue Verfassungsartikel bis hin zu dritten Parlamentskammern.
Nach einer kurzen Einführung in das Thema wird es im Vortrag vor allem darum gehen, real existierende Institutionen vorzustellen, die damit beauftragt wurden, die Interessen zukünftiger Generationen im politischen Entscheidungsprozess zu repräsentieren. Dazu gehören etwa der Ombudsmann für zukünftige Generationen (Ungarn, 2008–11, eingeschränkt bis heute), der parlamentarische Kommissar für zukünftige Generationen (Israel, 2001–06), die Zukünftige-Generationen-Kommissarin (Wales, seit 2016) und der parlamentarische Ausschuss für die Zukunft (Finnland, seit 1993). Als Grundlage für die anschließende Diskussion werden neben den Chancen auch die Herausforderungen der Institutionalisierung solcher neuen Repräsentationsmodelle besprochen, darunter ihre politische Realisierbarkeit und demokratische Legitimität.
16.10.2021

Veranstaltung

65. Jahrestagung der deutschen Sektion der Internationalen Juristen-Kommission e.V.: Klimawandel - 2021: Rechtliche Rahmenbedingungen für die "Große Transformation" von Wirtschaft und Gesellschaft

15.10.2117.10.21

Mannheim, Deutschland

Veranstaltung: Konferenz

Zuletzt angesehen

Publikationen

  1. Lehrerprofessionalität zwischen Theorie und Praxis
  2. Ökonomien des Elends
  3. Inter- und transdisziplinäre Lehrforschung
  4. Pictorialism (prelude and fugue)
  5. Localization of Passengers Inside Intelligent Vehicles by the Use of Ultra Wideband Radars
  6. Validating the Digital Health Literacy Instrument in Relation to COVID-19 Information (COVID-DHL-K) among South Korean Undergraduates
  7. Integration in Controllingsystemen
  8. Rationale Irrationalität oder „Warum lehnen die Intellektuellen den Kapitalismus ab?“
  9. Editorial: Vorglühen zur Musterfeststellungsklage
  10. Chosen time headways by angry younger and older drivers
  11. Scoring im GENO-Bereich
  12. Report of workshop 'Computer als Medium (Hyperkult VI)', University-of-Luneburg, Germany, July 16, 1997
  13. Lehrerqualität zwischen Kompetenz und Ethos
  14. The Ultimate Election Forecast
  15. Zur Rationalisierung des dreigliedrigen Schulsystems "Verwirrung nach PISA"
  16. Mosaic landscapes provide conservation pockets for an endangered species
  17. Der Weg in die Schule - Passagenbewältigung von Lehramtsanwärtern und -anwärterinnen in Eigenkonstruktion
  18. Schule wird durch Druck erst gut!?
  19. Limitations of Protected Areas Zoning in Mediterranean Cultural Landscapes Under the Ecosystem Services Approach
  20. Effects of prescribed burning on plant available nutrients in dry heathland ecosystems
  21. Schwellenwerte im Arbeitsrecht
  22. Die Thematisierung von »Kindern« in der Kinder- und Jugendhilfe
  23. Die Geburt der Erziehung aus dem Geist der Utopie des "guten Staates"
  24. Einleitung
  25. Automatisierte Ermittlung von Umweltwirkungen entlang der Wertschöpfungskette
  26. Inklusionsorientierte Lehrkräftebildung an der Leuphana Universität Lüneburg - Entwicklung und Implementation von Basisqualifikation und Profilstudium
  27. Intrinsic human elimination half-lives of polychlorinated biphenyls derived from the temporal evolution of cross-sectional biomonitoring data from the United Kingdom
  28. Integrating Green and Sustainable Chemistry into Undergraduate Teaching Laboratories
  29. "Recht und billig"
  30. On how business students’ personal values and sustainability conceptions impact their sustainability management orientation
  31. Zu einem unbekannten Brief von Hermann Ungar
  32. Linking Transitions to Sustainability
  33. Changing climate patterns risk the spread of Varroa destructor infestation of African honey bees in Tanzania
  34. Das Konzept von Lesekompetenz in der DESI-Studie
  35. PowerPoint. Präsentieren in Wissenschaft und Wirtschaft
  36. Medien und Kultur
  37. Doing Popkultur
  38. Degradation of the tricyclic antipsychotic drug chlorpromazine under environmental conditions, identification of its main aquatic biotic and abiotic transformation products by LC-MS n and their effects on environmental bacteria