Schwärme. Medienkulturen der Intransparenz
Project: Dissertation project
Project participants
- Vehlken, Sebastian (Project manager, academic)
Description
»Tracking a fish in the ocean is difficult, as it is likely to swim away...« Diese Zeile der Meeresbiologien Julia Parrish rekurriert auf genau das, was in den Fokus des medienhistorischen und medientheoretischen Dissertationsprojekts Schwärme. Medialitäten und Politiken der Unschärfe genommen wird: Ausgehend von einer konstatierten gegenwärtigen Konjunktur von Diskursen in verschiedensten gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Bereichen, die sich je auf den Begriff einer »swarm intelligence« berufen, fragt die Arbeit nach den medialen und historischen Bedingungen einer neuen Rede von Schwärmen als Wissensfiguren, die jenem hergebrachten epistemischen Schwarm-Horror vor dem, was nicht Gestalt werden kann, diametral entgegensteht.
Schwärme weisen eine stete Unbestimmtheit auf, die eine Kausalität von Ursache und Wirkung obsolet werden und dennoch überaus komplexe Ordnungen emergieren lässt. Sie schreiben eine Un-Ordnung an, die in kontaktlogischen, nachbarschaftlichen Verschaltungen zwischen den unscharfen Polen von Verteilung und Verdichtung oszilliert. Schwärme legen eine neuartige Informationstheorie nahe, in der Nachrichtenübertragung und Bewegung in eins fallen. Eine Steuerungstechnologie, die sich quasi als Rauschen im Rauschen komplexer Umwelten selbsttätig zu regulieren und auf ein Ziel hin zu optimieren imstande ist. Schwarm-Logik bedient sich dabei eines Denkens in Wahrscheinlichkeiten, das sich je schon statistischer Verfahren bedient. Und sie rekurriert auf die Figur einer neuzeitlichen und vor-aufklärerischen Schwärmerei, die je die festen Gefüge einer cartesianischen und newtonschen Ordnung sabotierte. Damit verweisen sie in Anschluß an Michel Foucault auf die Mikrostrukturen der gouvernementalen Verfasstheit eines an Dynamiken, Unschärfen und Diskontinuitäten orientierten Regierungs- und Regulierungswissens - und seiner medialen Technologien.
Präziser formuliert fragt die Arbeit also: Welche Versuche der Objektivierung jenes »Undings« oder »Halbdings«, jenes, - mit Leonardo DaVinci gesprochen - »Körpers ohne Oberfläche« des Schwarms eröffnen erst die Perspektive einer Diskursivierung derselben als produktive Organisationsform? Wie also werden Schwärme seit 1900 in verschiedener Hinsicht zu Wissensobjekten, um danach als Wissensfiguren selbst operativ werden zu können? An Schwärmen lassen sich somit epistemologische Strategien der Durchmusterung analysieren und zugleich eine Ver-rückung, eine Verwirbelung dieser Strategien durch jenes Wissen und Nicht-Wissen explizieren.
Gegenstand der Untersuchung ist dabei etwa eine sich herausbildenden Verhaltensbiologie Anfang des 20. Jahrhunderts, in der sich ein Wissen um biologische Vielheiten systematisiert und nicht mehr auf soziale, sondern physikalische Verschaltungsmodelle rekurriert. Oder eine Mediengeschichte biologischer Schwarmforschung, in deren Verlauf Schwärme in verschiedenen Experimentalsystemen und Medientechnologien immer wieder anders und neu objektiviert und objektifiziert werden - in denen sie als Gestalt zur Erscheinung gebracht werden sollen.
Eine These der Arbeit ist, dass eine Durchmusterung, ein Sehen von Schwärmen, visuelle Apparaturen immer wieder überfordert. Erst in der computergestützen Epistemologie der Simulation, in jenem erkenntnistheoretischen dritten Weg zwischen Theorie und Experiment, und besonders auf der Ebene zugehöriger visueller Synthetisierungen, findet der Schwarm zu sich. Dabei überkreuzt sich eine Informatisierung der Biologie mit einer gleichzeitigen Biologisierung der Informatik: Paradigmen der Programmierung wechseln von Writing- über Building- hin zu Growing-Prinzipien; die Selbstorganisationsfähigkeiten von Systemen aus einfachen Agenten geraten in den Fokus; schließlich werden Schwarm-Prinzipien in Particle Systems oder Particle Swarm Optimization und unter dem Label »Artificial Life« prominent. Erst dieser Chiasmus öffnet das Prinzip Schwarm für neue Diskursivierungen. Erst der Durchgang durch die Computertechnologie macht Schwärme als Wissensfiguren sexy.
Schwärme weisen eine stete Unbestimmtheit auf, die eine Kausalität von Ursache und Wirkung obsolet werden und dennoch überaus komplexe Ordnungen emergieren lässt. Sie schreiben eine Un-Ordnung an, die in kontaktlogischen, nachbarschaftlichen Verschaltungen zwischen den unscharfen Polen von Verteilung und Verdichtung oszilliert. Schwärme legen eine neuartige Informationstheorie nahe, in der Nachrichtenübertragung und Bewegung in eins fallen. Eine Steuerungstechnologie, die sich quasi als Rauschen im Rauschen komplexer Umwelten selbsttätig zu regulieren und auf ein Ziel hin zu optimieren imstande ist. Schwarm-Logik bedient sich dabei eines Denkens in Wahrscheinlichkeiten, das sich je schon statistischer Verfahren bedient. Und sie rekurriert auf die Figur einer neuzeitlichen und vor-aufklärerischen Schwärmerei, die je die festen Gefüge einer cartesianischen und newtonschen Ordnung sabotierte. Damit verweisen sie in Anschluß an Michel Foucault auf die Mikrostrukturen der gouvernementalen Verfasstheit eines an Dynamiken, Unschärfen und Diskontinuitäten orientierten Regierungs- und Regulierungswissens - und seiner medialen Technologien.
Präziser formuliert fragt die Arbeit also: Welche Versuche der Objektivierung jenes »Undings« oder »Halbdings«, jenes, - mit Leonardo DaVinci gesprochen - »Körpers ohne Oberfläche« des Schwarms eröffnen erst die Perspektive einer Diskursivierung derselben als produktive Organisationsform? Wie also werden Schwärme seit 1900 in verschiedener Hinsicht zu Wissensobjekten, um danach als Wissensfiguren selbst operativ werden zu können? An Schwärmen lassen sich somit epistemologische Strategien der Durchmusterung analysieren und zugleich eine Ver-rückung, eine Verwirbelung dieser Strategien durch jenes Wissen und Nicht-Wissen explizieren.
Gegenstand der Untersuchung ist dabei etwa eine sich herausbildenden Verhaltensbiologie Anfang des 20. Jahrhunderts, in der sich ein Wissen um biologische Vielheiten systematisiert und nicht mehr auf soziale, sondern physikalische Verschaltungsmodelle rekurriert. Oder eine Mediengeschichte biologischer Schwarmforschung, in deren Verlauf Schwärme in verschiedenen Experimentalsystemen und Medientechnologien immer wieder anders und neu objektiviert und objektifiziert werden - in denen sie als Gestalt zur Erscheinung gebracht werden sollen.
Eine These der Arbeit ist, dass eine Durchmusterung, ein Sehen von Schwärmen, visuelle Apparaturen immer wieder überfordert. Erst in der computergestützen Epistemologie der Simulation, in jenem erkenntnistheoretischen dritten Weg zwischen Theorie und Experiment, und besonders auf der Ebene zugehöriger visueller Synthetisierungen, findet der Schwarm zu sich. Dabei überkreuzt sich eine Informatisierung der Biologie mit einer gleichzeitigen Biologisierung der Informatik: Paradigmen der Programmierung wechseln von Writing- über Building- hin zu Growing-Prinzipien; die Selbstorganisationsfähigkeiten von Systemen aus einfachen Agenten geraten in den Fokus; schließlich werden Schwarm-Prinzipien in Particle Systems oder Particle Swarm Optimization und unter dem Label »Artificial Life« prominent. Erst dieser Chiasmus öffnet das Prinzip Schwarm für neue Diskursivierungen. Erst der Durchgang durch die Computertechnologie macht Schwärme als Wissensfiguren sexy.
Status | Finished |
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Period | 01.01.05 → 30.11.10 |