Nachbarschafts-Technologien. Mathematik und Medien dynamischer Netzwerke
Project: Scientific event
Project participants
- Vehlken, Sebastian (Project manager, academic)
- Harks, Tobias (Project manager, academic)
Description
Blankensee-Colloquium 2012, finanziert und veranstaltet in Kooperation mit dem Wissenschaftskolleg Berlin (Institute for Advanced Studies)
Als der Soziologie Thomas Schelling 1971 seine Forschungen zu Ghettobildungen in US-amerikanischen Großstädten veröffentlicht, ist damit mehr begründet als eine neuartige ›Mathematik des Sozialen‹. In Schellings Interesse an den Mechanismen sozialer Segregation und seinen hierzu verwendeten Modellen konvergiert die Analyse realer Nachbarschaftsdynamiken mit einer ›nachbarschaftsorientierten‹ Forschungsmethode. Schelling modelliert die Entstehung makroskopischer Muster durch ganz basale lokale – d.h. nachbarschaftliche – Mikroverhältnisse zwischen einer festgelegten Anzahl miteinander nach einem bestimmten Regel-Set interagierender ›Agenten‹. Die Frage nach Nachbarschaften steht damit in dieser zweifachen Hinsicht am Beginn eines Forschungsparadigmas, das die komplexen Systemverhaltensweisen und nichtlinearen Dynamiken sozialer Kollektive generativ und prozessural aus den begrenzten Nachbarschaftsverhältnissen ihrer Einzelakteure hervorbringt. Mit dem Begriff der Nachbarschaft ist damit ein Zwischenbereich skizziert, der die Einzelakteure mit den Gesamtdynamiken eines Systems verknüpft und dabei in beide Richtungen aktivierend wirkt.
Auch im Bereich der mathematischen Optimierung und in der Spieltheorie stehen Nachbarschaften in dieser doppelten Lesart zur Debatte. In der Optimierung werden Nachbarschaften als theoretisch gut beherrschbare Methode benutzt, um effizient gute Problemlösungen zu berechnen (local search). In der Spieltheorie sind Nachbarschaftsbeziehungen sowohl methodisch relevant (unilaterale Abweichungen von Spielern definieren eine Nachbarschaft) also auch inhaltlich (spieltheoretische Analyse von sozialen Netzwerken). Und diese Disziplinen suchen ihrerseits nach Objekten und Systemen, in denen Nachbarschaftsverhältnisse eine Rolle spielen – um diese dann mathematisch zu analysieren.
Und nicht zuletzt befassen sich die Medien- und Kulturwissenschaften seit einigen Jahren mehr und mehr mit solcherart Nachbarschafts-induzierten Effekten: Seien es – um nur zwei Bereiche zu nennen – Diskurse um soziale Schwarmintelligenz und den Beitrag verteilter Kommunikationskulturen für politische Aktionen, oder Untersuchen der Mediengeschichte von local based media, also etwa von GPS- und Navigationsgeräten und ihres Einflusses auf den Umgang mit Räumen: Nachbarschaften sind auch hier Teil einer sowohl topographischen und topologischen als auch begrifflichen und konzeptionellen Transformation, die sie als Triebkraft wirkmächtigen Verhaltens und als ›technische Anordnungen‹ definiert. Nachbarschaften in diesem Sinne sind mithin der Nukleus dynamischer Kollektive
Unser Blankensee-Colloquium 2012 Nachbarschafts-Technologien nimmt die Bedeutung derart begriffener Nachbarschaften für die Beschreibung dynamischer Kollektivprozesse zum Anlass, auch nach neuen, disziplinübergreifenden Nachbarschaften zu suchen. Wir werden in historisch-systematischer Weise und in einer transdisziplinären Diskussion zwischen mathematisch-naturwissenschaftlichen und medien- und kulturwissenschaftlichen Perspektiven Begriffe und Konzepte von ›Nachbarschaften‹ ordnen und anhand ausgewählter Beispiele danach fragen, auf welche (gemeinsamen oder unterschiedlichen) Arten sie aktuell in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und technischen Anwendungsbereichen virulent sind. Davon versprechen wir uns vor allem dreierlei:
Ein sehr viel differenzierteres, medienhistorisch angereichertes und technisch informiertes Bild davon, was gemeinhin unter Schlagwörtern wie ›bottom-up approach‹ oder ›Schwarmintelligenz‹ verhandelt wird. kann wird ›Nachbarschaft‹ je definiert und implementiert werden? Auch die Frage, welche Medientechniken bei der Generierung globaler Dynamiken durch lokale Interaktionen eine Rolle spielen, interessiert uns hier, z.B. inwieweit die Entwicklung bestimmter Simulationsmodelle von Rechengeschwindigkeiten und Softwareapplikationen abhängt.
Ein differenziertes Bild der dazugehörigen Epistemologie: Wie stehen ›nachbarschaftliche‹ Methoden und Techniken im Austausch mit ihren Forschungsobjekten? Wie werden Theorien, Modelle und Simulationen entwickelt und verifiziert? Wie stehen sie in Wechselwirkung miteinander?
Eine sehr viel konzisere Diskussion verschiedener Aspekte und Dimensionen eines (in der Ideenskizze angesprochenen) Themenfeldes wie social networks. Indem sich ausgewählte Personen aus dem transdisziplinären Spektrum dieses Feldes auf die Frage nach Nachbarschaft einlassen, ist ein zentraler Attraktor installiert, an den sich fachübergreifend Theorien, Konzepte, technische Applikationen und Medien- und Kulturgeschichten der Nachbarschaft anlagern lassen. Diese wiederum kartieren jenen Aktivierungspol jedweder dynamischer, generativer Netzwerk-Ansätze.
Als der Soziologie Thomas Schelling 1971 seine Forschungen zu Ghettobildungen in US-amerikanischen Großstädten veröffentlicht, ist damit mehr begründet als eine neuartige ›Mathematik des Sozialen‹. In Schellings Interesse an den Mechanismen sozialer Segregation und seinen hierzu verwendeten Modellen konvergiert die Analyse realer Nachbarschaftsdynamiken mit einer ›nachbarschaftsorientierten‹ Forschungsmethode. Schelling modelliert die Entstehung makroskopischer Muster durch ganz basale lokale – d.h. nachbarschaftliche – Mikroverhältnisse zwischen einer festgelegten Anzahl miteinander nach einem bestimmten Regel-Set interagierender ›Agenten‹. Die Frage nach Nachbarschaften steht damit in dieser zweifachen Hinsicht am Beginn eines Forschungsparadigmas, das die komplexen Systemverhaltensweisen und nichtlinearen Dynamiken sozialer Kollektive generativ und prozessural aus den begrenzten Nachbarschaftsverhältnissen ihrer Einzelakteure hervorbringt. Mit dem Begriff der Nachbarschaft ist damit ein Zwischenbereich skizziert, der die Einzelakteure mit den Gesamtdynamiken eines Systems verknüpft und dabei in beide Richtungen aktivierend wirkt.
Auch im Bereich der mathematischen Optimierung und in der Spieltheorie stehen Nachbarschaften in dieser doppelten Lesart zur Debatte. In der Optimierung werden Nachbarschaften als theoretisch gut beherrschbare Methode benutzt, um effizient gute Problemlösungen zu berechnen (local search). In der Spieltheorie sind Nachbarschaftsbeziehungen sowohl methodisch relevant (unilaterale Abweichungen von Spielern definieren eine Nachbarschaft) also auch inhaltlich (spieltheoretische Analyse von sozialen Netzwerken). Und diese Disziplinen suchen ihrerseits nach Objekten und Systemen, in denen Nachbarschaftsverhältnisse eine Rolle spielen – um diese dann mathematisch zu analysieren.
Und nicht zuletzt befassen sich die Medien- und Kulturwissenschaften seit einigen Jahren mehr und mehr mit solcherart Nachbarschafts-induzierten Effekten: Seien es – um nur zwei Bereiche zu nennen – Diskurse um soziale Schwarmintelligenz und den Beitrag verteilter Kommunikationskulturen für politische Aktionen, oder Untersuchen der Mediengeschichte von local based media, also etwa von GPS- und Navigationsgeräten und ihres Einflusses auf den Umgang mit Räumen: Nachbarschaften sind auch hier Teil einer sowohl topographischen und topologischen als auch begrifflichen und konzeptionellen Transformation, die sie als Triebkraft wirkmächtigen Verhaltens und als ›technische Anordnungen‹ definiert. Nachbarschaften in diesem Sinne sind mithin der Nukleus dynamischer Kollektive
Unser Blankensee-Colloquium 2012 Nachbarschafts-Technologien nimmt die Bedeutung derart begriffener Nachbarschaften für die Beschreibung dynamischer Kollektivprozesse zum Anlass, auch nach neuen, disziplinübergreifenden Nachbarschaften zu suchen. Wir werden in historisch-systematischer Weise und in einer transdisziplinären Diskussion zwischen mathematisch-naturwissenschaftlichen und medien- und kulturwissenschaftlichen Perspektiven Begriffe und Konzepte von ›Nachbarschaften‹ ordnen und anhand ausgewählter Beispiele danach fragen, auf welche (gemeinsamen oder unterschiedlichen) Arten sie aktuell in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und technischen Anwendungsbereichen virulent sind. Davon versprechen wir uns vor allem dreierlei:
Ein sehr viel differenzierteres, medienhistorisch angereichertes und technisch informiertes Bild davon, was gemeinhin unter Schlagwörtern wie ›bottom-up approach‹ oder ›Schwarmintelligenz‹ verhandelt wird. kann wird ›Nachbarschaft‹ je definiert und implementiert werden? Auch die Frage, welche Medientechniken bei der Generierung globaler Dynamiken durch lokale Interaktionen eine Rolle spielen, interessiert uns hier, z.B. inwieweit die Entwicklung bestimmter Simulationsmodelle von Rechengeschwindigkeiten und Softwareapplikationen abhängt.
Ein differenziertes Bild der dazugehörigen Epistemologie: Wie stehen ›nachbarschaftliche‹ Methoden und Techniken im Austausch mit ihren Forschungsobjekten? Wie werden Theorien, Modelle und Simulationen entwickelt und verifiziert? Wie stehen sie in Wechselwirkung miteinander?
Eine sehr viel konzisere Diskussion verschiedener Aspekte und Dimensionen eines (in der Ideenskizze angesprochenen) Themenfeldes wie social networks. Indem sich ausgewählte Personen aus dem transdisziplinären Spektrum dieses Feldes auf die Frage nach Nachbarschaft einlassen, ist ein zentraler Attraktor installiert, an den sich fachübergreifend Theorien, Konzepte, technische Applikationen und Medien- und Kulturgeschichten der Nachbarschaft anlagern lassen. Diese wiederum kartieren jenen Aktivierungspol jedweder dynamischer, generativer Netzwerk-Ansätze.
Status | Finished |
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Period | 01.02.12 → 04.02.13 |
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Der Schwarm wird alles verändern
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