„Artists have appropriated, interpreted, reconfigured, and interrogated archival structures and archival materials“ – so lautete der Ausgangspunkt von Okwui Enwezors Ausstellung Archive Fever – Uses of the Document in Contemporary Art in New York (2008), deren Titel auf Jacques Derridas grundlegenden Text zum Archiv bezugnahm: „Mal d’Archive. Une Impression Freudienne“ (1995), in der englischen Fassung „Archive Fever. A Freudian Impression“ (1996) und in der deutschen „Dem Archiv verschrieben. Eine Freudsche Impression“ (1997). Darin bezeichnet Derrida das Archiv als gespenstig, d.h. als eine Spur, die stets auf etwas Abwesendes zurückgeht. Er definiert das „Archive Fever“ bzw. „Mal d’Archive“ als ein Begehren nach einer unmöglichen Rückkehr zum echten und einzigartigen Ursprung (Derrida 1997, 150f.). Enwezors Feststellung, dass dieses Begehren in der zeitgenössischen Kunst vermehrt thematisiert wird, kann im Kontext von Begriffen wie memory boom (Erll 2017), archival impulse (Foster 2004) und archival turn gelesen werden. Unter dem archival turn wird in der Kunstpraxis eine kritische Auseinandersetzung mit Archiven verstanden, bzw. „eine Problematisierung der Distanznahme zwischen Geschichte und Gegenwart“ (Bührer/Lauke 2016, 15).