Politikfelder als Strategie? Genese, Grenze und Dynamik der Klima- und Nachhaltigkeitspolitik
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Thomas Saretzki - Speaker
Ralf Tils - Speaker
Vortrag auf der Veranstaltung „Genese, Grenze und Dynamik von Politikfeldern“ der Sektion Policy-Analyse und Verwaltungswissenschaft auf dem 25. wissenschaftlichen Kongress der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) an der Universität Tübingen am 26. September 2012 (zusammen mit Basil Bornemann und Ralf Tils)
Im Zuge der Rezeption der angloamerikanischer „Policy-Analyse“ wurde der Begriff „Politikfeld” in der deutschen Politikwissenschaft in den 1980er Jahren oft noch einfach als Übersetzung von „policy“ verstanden. Inzwischen wächst die Neigung, den in der deutschen Übersetzung zunächst eher beiläufig importierten und in seiner Bedeutung nicht weiter reflektierten Feldbegriff ernst zu nehmen und bei der Bestimmung des Gegenstandes und seiner Analyse in Rechnung zu stellen. Konzeptionell führt dies zunächst zu einer Ausweitung des Gegenstandsbereiches der Politikfeldanalyse: Stand in den ersten Policy-Analysen vielfach noch eine einzelne Maßnahme oder ein politisches Programm im Zentrum der Betrachtung, mit dessen Hilfe ein gesellschaftliches Problem politisch gelöst werden sollte, so wird der Blick jetzt auf ein funktional und institutionell ausdifferenziertes Politikfeld ausgeweitet, in dem sich über Zeit spezifische institutionelle Arrangements, Akteurkonstellationen und Problembearbeitungsmuster entwickelt haben.
Wollen politische Akteure ein gesellschaftliches Problem aufgreifen und lösen, dann werden ihre politischen Problembearbeitungsversuche nicht nur durch allgemeine Rahmenbedingungen des jeweiligen politischen Systems und den gesellschaftlichen Kontext ermöglicht und beschränkt. Policy-orientierte Akteure müssen vielmehr auch die spezifischen Akteurskonstellationen, Interaktionsbeziehungen und Regelsysteme in Rechnung stellen, die sich in einem oder mehreren der bereits etablierten, funktional und institutionell ausdifferenzierten Politikfelder herausgebildet haben. Besonders stark institutionalisiert sind die „klassischen“ Felder nationalstaatlichen Handelns wie die Außen-, Innen-, Justiz-, Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, in denen Probleme bearbeitet werden, die für die Aufrechterhaltung und Handlungsfähigkeit des Staates selbst von grundlegender Bedeutung sind. Aber auch in neueren Politikfeldern wie der Forschungs- und Technologiepolitik, der Energie- und Umweltpolitik oder dem Verbraucherschutz lassen sich Prozesse der Institutionalisierung identifizieren, die in dem jeweils neu entstandenen Politikfeld Ordnung stiften, Zuständigkeiten regeln, Zugehörigkeiten definieren und damit zugleich Grenzen ziehen und eine relative Autonomie gegenüber anderen Politikfeldern schaffen. Die hier beobachtbaren Prozesse der Grenzziehung erfolgen meist durch interne Ausdifferenzierung (etwa der Arbeits- und Sozialpolitik) oder institutionelle Verselbständigung von Querschnittspolitiken (Umweltpolitik).
In der Klima- und Nachhaltigkeitspolitik sehen sich die politischen Akteure mit übergreifenden Problemstrukturen konfrontiert, deren Bewältigung zumindest mittel- und langfristig nicht weniger als eine umfassende gesamtgesellschaftliche Transformation nötig macht. Eine Bearbeitung einzelner Probleme mit Hilfe sektoraler politischer Programme erscheint hier nicht als angemessen. Vor diesem Hintergrund sind schon die Akteure innerhalb des politisch-administrativen Systems davon ausgegangen, dass die Prozesse der Institutionalisierung dieser Politikfelder auf dem Weg einer Ausdifferenzierung aus einem etablierten Ressort oder der Gründung eines neuen Querschnittsressorts nicht angemessen zu strukturieren sind. Vielmehr erscheinen die bestehenden institutionell befestigten Grenzen der etablierten ausdifferenzierten Politikfelder selbst als Hindernis für die integrierte Bearbeitung der Probleme, mit denen das politische System im Hinblick auf Klimawandel und Nachhaltigkeit konfrontiert ist. Sollen die Grenzen funktional ausdifferenzierter Politikfelder nicht einfach aufgelöst oder willkürlich übersprungen werden, dann macht die geforderte Politikintegration eine reflexive Grenzarbeit nötig, für die neue Formen der Institutionalisierung von Meta-Policies zu finden sind.
Die geforderte integrative Perspektive wird in der Klima- und Nachhaltigkeitspolitik überdies explizit mit einem Politikverständnis verknüpft, das über die bisher üblichen Konzepte von politischen Maßnahmen, Programmen und Plänen hinaus weist und statt dessen mit dem Begriff „Strategie“ verbunden ist. An die Stelle von Klimaschutzprogrammen und Nachhaltigkeitsplänen sind auf unterschiedlichen politischen Ebenen Nachhaltigkeitsstrategien sowie Strategien zu Klimaschutz und Klimaanpassung getreten. Die politischen Akteure selbst haben dabei „Strategie“ als alternative und gegenüber bisherigen Formen des Policy-Making angemessenen Modus der politischen Problembearbeitung eingeführt.
Für die Politikfeldanalyse stellt sich damit die Frage, ob und in welcher Hinsicht diese Akteurstrategien im Umgang mit den politischen Problemen im Bereich Klimawandel und Nachhaltigkeit Bedeutung für Genese, Grenzen und Dynamik dieser Politikfelder gewinnen und was aus dieser Orientierung am Konstrukt „Strategie“ für Begriff und Bestimmung von Politikfeldern folgt. Bei der Rekonstruktion von Entstehung, Grenzentwicklung und Verlauf der Policy-Prozesse in Feldern, die von den Akteuren mit Hilfe von „Strategien“ strukturiert werden, so die hier vertretene Antwort auf die damit verbundenen konzeptionellen Herausforderungen, ist die Politikfeldanalyse auf politikwissenschaftliche Strategieanalyse verwiesen. Empirisch greift der vorgeschlagene Beitrag auf Ergebnisse aus abgeschlossenen Studien und laufenden Projekten zur Nachhaltigkeits- und zur Klimapolitik in der Bundesrepublik Deutschland zurück, die durch vergleichende Analysen ergänzt werden.
Im Zuge der Rezeption der angloamerikanischer „Policy-Analyse“ wurde der Begriff „Politikfeld” in der deutschen Politikwissenschaft in den 1980er Jahren oft noch einfach als Übersetzung von „policy“ verstanden. Inzwischen wächst die Neigung, den in der deutschen Übersetzung zunächst eher beiläufig importierten und in seiner Bedeutung nicht weiter reflektierten Feldbegriff ernst zu nehmen und bei der Bestimmung des Gegenstandes und seiner Analyse in Rechnung zu stellen. Konzeptionell führt dies zunächst zu einer Ausweitung des Gegenstandsbereiches der Politikfeldanalyse: Stand in den ersten Policy-Analysen vielfach noch eine einzelne Maßnahme oder ein politisches Programm im Zentrum der Betrachtung, mit dessen Hilfe ein gesellschaftliches Problem politisch gelöst werden sollte, so wird der Blick jetzt auf ein funktional und institutionell ausdifferenziertes Politikfeld ausgeweitet, in dem sich über Zeit spezifische institutionelle Arrangements, Akteurkonstellationen und Problembearbeitungsmuster entwickelt haben.
Wollen politische Akteure ein gesellschaftliches Problem aufgreifen und lösen, dann werden ihre politischen Problembearbeitungsversuche nicht nur durch allgemeine Rahmenbedingungen des jeweiligen politischen Systems und den gesellschaftlichen Kontext ermöglicht und beschränkt. Policy-orientierte Akteure müssen vielmehr auch die spezifischen Akteurskonstellationen, Interaktionsbeziehungen und Regelsysteme in Rechnung stellen, die sich in einem oder mehreren der bereits etablierten, funktional und institutionell ausdifferenzierten Politikfelder herausgebildet haben. Besonders stark institutionalisiert sind die „klassischen“ Felder nationalstaatlichen Handelns wie die Außen-, Innen-, Justiz-, Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, in denen Probleme bearbeitet werden, die für die Aufrechterhaltung und Handlungsfähigkeit des Staates selbst von grundlegender Bedeutung sind. Aber auch in neueren Politikfeldern wie der Forschungs- und Technologiepolitik, der Energie- und Umweltpolitik oder dem Verbraucherschutz lassen sich Prozesse der Institutionalisierung identifizieren, die in dem jeweils neu entstandenen Politikfeld Ordnung stiften, Zuständigkeiten regeln, Zugehörigkeiten definieren und damit zugleich Grenzen ziehen und eine relative Autonomie gegenüber anderen Politikfeldern schaffen. Die hier beobachtbaren Prozesse der Grenzziehung erfolgen meist durch interne Ausdifferenzierung (etwa der Arbeits- und Sozialpolitik) oder institutionelle Verselbständigung von Querschnittspolitiken (Umweltpolitik).
In der Klima- und Nachhaltigkeitspolitik sehen sich die politischen Akteure mit übergreifenden Problemstrukturen konfrontiert, deren Bewältigung zumindest mittel- und langfristig nicht weniger als eine umfassende gesamtgesellschaftliche Transformation nötig macht. Eine Bearbeitung einzelner Probleme mit Hilfe sektoraler politischer Programme erscheint hier nicht als angemessen. Vor diesem Hintergrund sind schon die Akteure innerhalb des politisch-administrativen Systems davon ausgegangen, dass die Prozesse der Institutionalisierung dieser Politikfelder auf dem Weg einer Ausdifferenzierung aus einem etablierten Ressort oder der Gründung eines neuen Querschnittsressorts nicht angemessen zu strukturieren sind. Vielmehr erscheinen die bestehenden institutionell befestigten Grenzen der etablierten ausdifferenzierten Politikfelder selbst als Hindernis für die integrierte Bearbeitung der Probleme, mit denen das politische System im Hinblick auf Klimawandel und Nachhaltigkeit konfrontiert ist. Sollen die Grenzen funktional ausdifferenzierter Politikfelder nicht einfach aufgelöst oder willkürlich übersprungen werden, dann macht die geforderte Politikintegration eine reflexive Grenzarbeit nötig, für die neue Formen der Institutionalisierung von Meta-Policies zu finden sind.
Die geforderte integrative Perspektive wird in der Klima- und Nachhaltigkeitspolitik überdies explizit mit einem Politikverständnis verknüpft, das über die bisher üblichen Konzepte von politischen Maßnahmen, Programmen und Plänen hinaus weist und statt dessen mit dem Begriff „Strategie“ verbunden ist. An die Stelle von Klimaschutzprogrammen und Nachhaltigkeitsplänen sind auf unterschiedlichen politischen Ebenen Nachhaltigkeitsstrategien sowie Strategien zu Klimaschutz und Klimaanpassung getreten. Die politischen Akteure selbst haben dabei „Strategie“ als alternative und gegenüber bisherigen Formen des Policy-Making angemessenen Modus der politischen Problembearbeitung eingeführt.
Für die Politikfeldanalyse stellt sich damit die Frage, ob und in welcher Hinsicht diese Akteurstrategien im Umgang mit den politischen Problemen im Bereich Klimawandel und Nachhaltigkeit Bedeutung für Genese, Grenzen und Dynamik dieser Politikfelder gewinnen und was aus dieser Orientierung am Konstrukt „Strategie“ für Begriff und Bestimmung von Politikfeldern folgt. Bei der Rekonstruktion von Entstehung, Grenzentwicklung und Verlauf der Policy-Prozesse in Feldern, die von den Akteuren mit Hilfe von „Strategien“ strukturiert werden, so die hier vertretene Antwort auf die damit verbundenen konzeptionellen Herausforderungen, ist die Politikfeldanalyse auf politikwissenschaftliche Strategieanalyse verwiesen. Empirisch greift der vorgeschlagene Beitrag auf Ergebnisse aus abgeschlossenen Studien und laufenden Projekten zur Nachhaltigkeits- und zur Klimapolitik in der Bundesrepublik Deutschland zurück, die durch vergleichende Analysen ergänzt werden.
26.09.2012
Event
25. Wissenschaftlicher Kongress der DVPW 2012: Die Versprechen der Demokratie
24.09.12 → 28.09.12
Tübingen, GermanyEvent: Conference
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