Enkulturation und Interkulturalität: eine komparatistische Analyse der intermedialen Repräsentation nationaler Identitäten in ABC- und Bilderbüchern vom 19. Jahrhundert bis heute

Projekt: Forschung

Projektbeteiligte

Beschreibung

Das Projekt untersucht die Repräsentation fremder und eigener Nationen in ABC-Büchern und Bilderbüchern vom 19. Jahrhundert bis heute. Während das Thema der Repräsentation von Fremdheit und Andersheit in der Literatur in den letzten Jahrzehnten ins Zentrum anthropologisch ausgerichteter, postkolonialistischer oder von Mentalitätsgeschichte beeinflusster Literatur- und Kulturbetrachtung rückte, bleibt eine entsprechende Auseinandersetzung mit der Kinderliteratur und besonders eine Beschäftigung mit dem Bilderbuch unter dieser Fragestellung bis heute ein Desiderat der internationalen Forschung (vgl. den Überblick in O'Sullivan 2007). Dabei sind Kinderbücher als kulturelle Artefakte, die zu einem frühen Zeitpunkt im Sozialisationsprozess konsumiert werden, eine besonders ergiebige und wertvolle Quelle für die Erforschung nationaler Schemata, die in diesem frühen Alter erworben werden (vgl. die bisher anspruchsvollste, von der VW-Stiftung geförderte Studie zur Interkulturalität in der deutschsprachigen Kinderliteratur, die allerdings Bilderbücher ausspart, Weinkauff/Seifert 2006). Bilderbücher, die sich durch hohe emotionale Zugänglichkeit und Unmittelbarkeit auszeichnen, da sie mit zwei Medien, Text und Bild, arbeiten, sind imagologisch äußerst relevant, jedoch bisher nur spärlich erforscht.

Aufgrund der Knappheit des Raums sei hier nur eine Zielhypothese erwähnt; sie bezieht sich auf die Entwicklung und Funktion der Kinderliteratur. Die Darstellung fremder Nationen findet statt im Spannungsfeld von Wissensvermittlung (der pädagogische Auftrag), Exotismus (der Unterhaltungsauftrag) und distanznivellierender 'Völkerverständigung durch Literatur' (der Erziehungsauftrag). Die These lautet, dass diese Aufträge sich im Laufe der Evolution der Kinderliteratur nicht, wie oft angenommen, auflösen, sondern zu verschiedenen Anteilen in allen – selbst den modernen, performativen - Büchern zu finden sind.

Das Korpus umfasst zunächst englischsprachige Kinderbücher ab dem 19. Jahrhundert, angestrebt wird im Zuge der Internationalisierung des Projekts eine Erweiterung auf andere Sprachräume. Untersucht werden sollen die Auswahlkriterien (welche Nationen werden warum dargestellt), die Darstellung (Ikonographie der Bilder, Beschaffenheit der Texte, Interaktion zwischen den Medien), Konstanz und Wandel der jeweiligen Images nach den sich verändernden politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen des darstellenden und des dargestellten Kulturraums und deren Darstellungstraditionen, die Funktionen der Repräsentationen - z.B. deren Indienstnahme zum Zwecke der Propaganda - sowie, kultur- und literaturwissenschaftlich von besonderer Bedeutung, in der Forschung aber bisher vernachlässigt, die Grammatik der Darstellungen der Nationen (wie verhalten sich die Darstellungen der einzelnen Nationen zueinander, welche Rollen werden von wem wann übernommen?)
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Projektinhalt ist also eine kultur- und literaturwissenschaftliche Analyse der Texte aus zwei Jahrhunderten, die der kindlichen Sozialisation zugrunde liegen, es handelt sich nicht um eine Studie zur Rezeption dieser Texte. Dementsprechend bildet in erster Linie die komparatistische Imagologie den theoretisch-methodischen Rahmen des Projekts. Gegenstand der Imagologie, die sich mit der "cultural construction and literary representation of national characters" (so der Untertitel des 2007 erschienenen Handbuchs der Imagologie (Beller/Leerssen 2007)) befasst, ist "the complex links between literary discourse on the one hand and national identity-constructs on the other" (Leerssen 2000, 270). Nicht der vermeintliche Bezug zur empirischen Realität wird untersucht, sondern die textuellen Ausdrucksformen eines Bildes und dessen historischer Kontext. Dabei wird der zeitgeschichtliche Zusam¬menhang ebenso beachtet wie Konventionen des Diskurses wie z.B. die Inter¬textualität sowie die Genese und Wechselwirkung der Bilder in verschiedenen Ländern und Kulturen. Eine dezidiert kulturwissenschaftlich-literaturwissenschaftliche Herangehensweise wird den (historischen) Anteil der Literatur an der Konstruktion von Wissen betonen; ferner herangezogen werden die Methoden der Bildanalyse sowie der Intermedialität als Forschungsgegenstand der vergleichenden Literaturwissenschaft (vgl. O'Sullivan 2000).
StatusAbgeschlossen
Zeitraum01.05.0930.08.11

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