Rezension Ludwig Gramlich

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  • Ludwig Gramlich

Quellenangaben

TitelOPEC und europäisches Wettbewerbsrecht. Zugleich ein Beitrag zum Phänomen der Fragmentierung des internationalen Wirtschaftsrechts,ZaöRV 2008, 900
Land/GebietDeutschland
Datum der Veröffentlichung15.06.08
BeschreibungDie Studie ist aus einem Vortrag entstanden, den der Autor (zuerst) bei der U.S. Federal Trade Commission im Sommer 2006 gehalten hat, berücksichtigt aber auch noch spätere Entwicklungen. Dieser Ursprung zeigt sich in einem ausführlichen, englischsprachigen „summary” (S. 102 ff.). Da der Band auch 5 Anhänge mit Rechtstexten enthält, von denen der Abdruck der Art. EGV Artikel 81-EGV Artikel 86 EGV nützlich, aber gewiss nicht unabdingbar gewesen ist, bleiben für die eigentliche Abhandlung gerade einmal 80 Seiten, d.h. die Hälfte des Bandes übrig.
In diesem Rahmen sind (einschließlich einer Einleitung sowie „Schlussbetrachtung und Ausblick”) 10 Kapitel aneinandergereiht, beginnend mit einer Skizze der OPEC als einer Internationalen – intergouvernementalen – Organisation (deren „statute” sich in Anhang 1 findet); sodann folgen Betrachtungen zu deren „ökonomischer Bedeutung” und im Verhältnis zur „Kartelltheorie”, die in die Erörterung der Anwendbarkeit des europäischen Wettbewerbsrechts, insbes. des Art. EGV Artikel 81 EGV, auf die OPEC münden (S. 53 ff.). Als „völkerrechtliche Grenzen” der Erstreckung des Geltungsbereichs des EG-Rechts werden das Interventionsverbot und die Staatenimmunität angesprochen. Als Vergleich bzw. Modell wird dann das US-Antitrustrecht herangezogen, indem sowohl zur OPEC ergangene Gerichtsentscheidungen als auch die NOPEC Bill (Anhang 4) bzw. das 2007 verabschiedete Gesetz (Anhang 5) kurz beleuchtet werden. Als „Probleme” einer Anwendung des Art. EGV Artikel 81 EGV sieht Terhechte zum einen die konkrete Rechtsgrundlage für ein Vorgehen der EU-Kommission und vor allem die Vollstreckbarkeit einer Entscheidung an (S. 90 ff.), zum andern analysiert er Möglichkeiten eines „private enforcement”, der „Anwendung durch Private” (S. 92 ff.). Unter der Überschrift „Politische Implikationen und alternative Ansätze” reißt der Autor schließlich das Verhältnis des WTO-Rechts zur OPEC und die Beziehungen zwischen dieser Organisation und „allgemeinem Völkerrecht” an, letzteres gerade einmal in zwei Sätzen (S. 98) und daher unbefriedigend.
Terhechte will auch „erste vorsichtige Antworten” (S. 27) auf die Fragmentierung des „als solches nicht klar abgrenzbaren” Internationalen Wirtschaftsrechts geben, wo „in vielen Fällen Regelwerke unverbunden nebeneinander stehen, ohne dass sich aus der rechtlichen Perspektive ein Gesamtbild oder eine Gesamtbewertung ergibt” (S. 23). Diesem Phänomen könnten Regelwerke entgegengesetzt werden, „die dem Einheitspostulat verpflichtet sind und dieses Postulat auch gegenüber anderen Rechtsordnungen durchzusetzen in der Lage sind”; dabei komme es sodann „entscheidend auf die Rolle des Einzelnen an”. Auch wenn dieser aber „Wettbewerbsbeschränkungen, die durch Staaten verursacht werden”, deshalb keine Grenzen setzen könne, weil dies „als politisch oder wirtschaftlich nicht tragbar eingeschätzt wird”, würden auf diese Weise immerhin die Staaten zur „Einheitsbildung” gezwungen und könne so der „Fragmentierung der internationalen Rechtsordnung entgegen(ge)wirk(t)” werden (S. 27). Wenig später wird das Ansinnen
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noch klarer: „Das Verbot des déni de justice… zwingt Gerichte ohne Rücksicht auf politische Interessen, eine Entscheidung zu fällen. Wenn also der Einzelne beispielsweise eine Schadensersatzklage gegen die OPEC erhebt, (muss) das Gericht… die aufgeworfenen Rechtsfragen beantworten. In dieser Situation gerät dann vielleicht auch die Legislative indirekt unter Zugzwang. Der Fragmentierung” – als Gefährdung der Gleichheit vor dem Gesetz (S. 28 Fn. 22) – „könnte so vielleicht im Rahmen der privaten Anwendung supranationaler oder völkerrechtlicher Normen Einhalt geboten werden; eine solche Entwicklung könnte damit eine Art Umkehrschub entfalten” (S. 29).
Bei der Erörterung von „privater Rechtsanwendung als Impuls ‚von unten’” sieht Terhechte die Gefahr von „blocking statutes”, womit das „genaue Gegenteil der Einheitsbildung bewirkt” würde (S. 100). Dass diese Reaktion heute nicht mehr zu gewärtigen sein soll, ist angesichts der Diskussion über „sovereign wealth funds” (gespeist oft aus Einnahmen aus Energieverkäufen) wohl zu optimistisch; so wird denn auch nicht die Utopie vom Weltstaat und Weltrecht propagiert, sondern als Aufgabe der Staatengemeinschaft lediglich ein „einheitsstiftendes Meta-System” bezeichnet (S. 101).
Auf 80 Seiten können viele Probleme nur benannt und Lösungswege lediglich angedeutet werden. Auffällig ist aber, dass beim Verhältnis vom OPEC-Sitzabkommen mit Österreich zum Gemeinschaftsrecht mehrfach (S. 77, 91, 94) nur auf Art. EGV Artikel 307 Abs. EGV Artikel 307 Absatz 2 EGV abgestellt wird, nicht auch und primär auf Abs. 1. Nahe gelegen hätten auch Vergleiche mit dem Schicksal des Internationalen Zinnrates, der lediglich als Beispiel für Unterschiede zwischen OPEC und Rohstoffabkommen erwähnt wird (S. 50 Fn. 97). Und Sanktionen gegen die OPEC nach Art. EGV Artikel 301 EGV zu erwägen, ohne zu verdeutlichen, dass bei dieser Vorschrift gerade die Frage des tauglichen Adressaten bislang nicht gänzlich geklärt ist (und auch im Lissabon-Vertrag ein Bezug auf Internationale Organisationen als Ziele nicht explizit erfolgt), ist misslich. Schließlich geht es auf S. 62 offenbar um die Regelbeispiele nicht des Art. EGV Artikel 81, sondern des Art. EGV Artikel 82 EGV.
Die informative und anregende Studie fügt sich, auch wenn dies nirgends ausdrücklich gesagt wird, in den Diskurs über die zunehmende Vernetzung nationaler, supranationaler/europäischer und internationaler Regelwerke ein. Nicht ihr geringstes Verdienst ist es, dass sie im Hinblick auf Ideen eines „private enforcement” bei den Fragen des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens nicht stehen bleibt, sondern auch Probleme der Vollstreckbarkeit und Vollstreckung zumindest aufwirft (S. 91 f., 94 f.). Gerade hier aber zeigen sich (jedenfalls derzeit noch) deutliche Unterschiede zwischen innerstaatlicher und internationaler Ebene, auch im Wirtschaftsrecht. Immerhin erschien dem SPIEGEL die „Kampfansage an die gierige OPEC” schon im Sommer 2007 einen Beitrag wert!

PersonenLudwig Gramlich
Zeitraum15.06.2008
Beziehungsdiagramm